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Verfassungsgericht bleibt moderat

Über den roten Roben in Karlsruhe werden künftig vier neue Köpfe zu sehen sein. Die CDU verzichtet bei ihren Vorschlägen auf die Nominierung von Hardlinern  ■ Von Christian Rath

Berlin (taz) – Der befürchtete Rechtsrutsch des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wird uns vermutlich erspart bleiben. In den nächsten Monaten müssen vier ausscheidende Richter (siehe Kasten) ersetzt werden. BeobachterInnen hatten angesichts des Trommelfeuers der letzten Wochen befürchtet, daß die Union, die bei zwei von vier Richtern das Vorschlagsrecht besitzt, versuchen könnte, das Gericht stärker auf Linie zu bringen. Die präsentierten Kandidaten gelten zwar als konservativ, aber nicht als Hardliner.

Udo Steiner ist ein profilierter Wissenschaftler, der an der Universität Regensburg Planungsrecht lehrt. Er ist als Nachfolger des Arbeitsrechtlers Alfred Söllner für den Ersten Senat vorgesehen, der sich schwerpunktmäßig mit Grundrechtsfragen beschäftigt. Der zweite Unionskandidat Hans-Joachim Jentsch war zuletzt Justizminister in Thüringen, mußte dort nach den letzten Wahlen aber seinen Stuhl für einen SPD-Mann räumen. Anfang der achtziger Jahre war er einige Jahre Oberbürgermeister in Wiesbaden und galt dort als blaß und technokratisch. Für die CDU saß er bereits im hessischen Landtag und im Bundestag. Wegen seiner Zeit in Thüringen wird er inzwischen sogar als „Halb-Ossi“ gehandelt.

Bisher stammen alle Verfassungsrichter aus dem Westen. In Karlsruhe war deshalb schon befürchtet worden, daß deshalb auch der sächsische Justizminister Steffen Heitmann ein heißer Kandidat für Karsruhe sein könnte. Der kläglich gescheiterte Bundespräsidentenkandidat war nicht der einzige Kelch, der an Karlsruhe vorüberging. Im Gespräch waren als CDU-Kandidaten auch der ehemalige Verteidigungsminsiter Rupert Scholz und der Berliner Rechtsprofessor Albrecht Randelzhofer. Beide gelten als ebenso starke wie konservative Persönlichkeiten, die dem Gericht sicher ihren Stempel aufgedrückt hätten.

Für den eigenwilligen SPD- Mann Ernst-Wolfgang Böckenförde, der wichtige Minderheitenvoten verfaßt hatte, soll wahrscheinlich der hessische Datenschutzbeauftrage Winfried Hassemer nachrücken. Hassemer ist ein recht liberaler Strafrechtler, der auch in Bürgerrechtsfragen in der Regel auf der Seite der Freiheit stehen dürfte.

Am umstrittensten war bisher die Auswahl der FDP. Auf Johann Gottfried Henschel, den Verfasser des Kruzifix-Urteils, soll der Bundesverwaltungsrichter Dieter Hömig folgen. Er gilt als Mann von Außenminister Kinkel, man munkelt sogar, daß beide Schulfreunde gewesen sein sollen. In den siebziger Jahren war Hömig als Ministerialrat im Bundesinnenministerium unter anderem mit Geheimdienstfragen befaßt. In seiner Eigenschaft als Verfassungsrichter kann er hieran anknüpfen, denn Ende des Jahres will Karlsruhe über die strategische Fernmeldeüberwachung des Bundesnachrichtendienstes verhandeln. Vor wenigen Wochen hatte das Gericht den „Staubsauger im Äther“ vorläufig gestoppt. Hömig gilt wie Henschel als Liberaler, der auch für Bürgerrechtsfragen offen ist.

Kritisiert wurde Hömig bisher nicht wegen mangelnder Qualifikation – diese ist unstreitig –, sondern wegen seiner übergroßen Nähe zum ehemaligen FDP-Chef. Der Bündnisgrüne Rezzo Schlauch: „Hier werden die üblichen Kungeleien plötzlich zu reinen Kinkeleien.“ Die FDP, die sich als Vertreterin der freien Berufe fühlt, hätte viel lieber einen Anwalt präsentiert, weil der scheidende Henschel der einzige Advokat am Verfassungsgericht gewesen war. Eine Übermacht der Berufsrichter wollen eigentlich alle Parteien verhindern. Doch Kinkel ließ nicht mit sich reden. Als man seinen Kandidaten zu kippen versuchte, habe er im FDP-Präsidium so lange gejammert, bis die Partei nachgab. Immerhin hat die CDU inzwischen mit einem Advokaten ausgeholfen. Was bisher kaum wahrgenommen wurde: Hans-Joachim Jentsch war vor seiner politischen Karriere bereits seit 1966 als Anwalt tätig.

Steiner und Hömig sollen bereits am 22. September vom Bundesrat gewählt werden. Hier dürften sich keine weiteren Überraschungen mehr ergeben. Für die Wahl von Hassemer und Jentsch liegen die Termine noch nicht fest.

In der Debatte um das Wahlverfahren für die Verfassungsrichter haben bisher noch nicht einmal die Fraktionen von SPD und FDP über den Vorschlag von Burkhard Hirsch und Otto Schily beraten. Sie hatten im Trubel des Kruzifix- Urteils vorgeschlagen, daß die Wahl der vom Bundestag zu bestimmenden Richter künftig im Plenum statt in einem nicht öffentlichen Ausschuß erfolgt.

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