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„Eliminierung des Gegners“ statt Panikmache

■ In Spanien ist die angebliche „Gründungsakte“ der staatsterroristischen GAL aufgetaucht. Neue Vorwürfe und Beweise gegen Ministerpräsident Felipe González

Madrid (taz) – „Die beste Aktionsform ist das Verschwindenlassen mittels Entführung“, empfiehlt ein vom 6. Juli 1983 datierendes Dokument, das gestern in den meisten spanischen Tageszeitungen abgedruckt wurde, als Strategie gegen die bewaffnete baskische Separatistenorganisation ETA. Ricardo Garcia Damborenea, der ehemalige Sozialistenchef in der Baskenprovinz Vizcaya, hatte das Papier am Mittwoch abend Ermittlungsrichter Baltasar Garzón übergeben. Es sei die vom militärischen Abschirmdienst (Cesid) ausgearbeitete Gründungsakte der Antiterroristischen Befreiungsgruppen (GAL). Ihren Mordanschlägen und Entführungen in Südfrankreich fielen in den 80er Jahren 28 Menschen zum Opfer.

Unter der Überschrift „Aktionen in Frankreich“ werden vier verschiedene Aktionsformen gegen die ETA gegeneinander abgewogen. „Systematische Panikmache“ und „Vergeltungsschläge gegen Eigentum und Familienangehörige von ETA-Mitgiedern auf beiden Seiten der Grenze“ werden als wenig sinnvoll abgelehnt. Als sehr effektiv wird hingegen die „Eliminierung“ des Gegners eingeschätzt. Die gleichzeitige „Enthauptung verschiedener Führungsorgane würde zu einem schweren Bruch in der Kontinuität ihrer Strategie führen“. Allerdings müsse man dabei Vorsicht walten lassen, damit niemand auf die Idee kommt, „daß öffentliche Organe dahinterstecken“.

Mit der Übergabe des Papiers untermauert Damborenea seine Aussagen vom Juli, nach denen die spanische Regierung in den Fall GAL eingeweiht war. Der Oberste Gerichtshof ermittelt seither gegen Regierungschef Felipe González und zwei seiner Ex-Minister sowie gegen den Generalsekretär der sozialistischen PSOE.

Der ebenfalls angeklagte Ex- Agent des Cesid, Alberto Perote, bestätigte die Echtheit des Papiers. Bei einer von Richter Garzón veranlaßten Gegenüberstellung gab jetzt auch der ehemalige Cesid- Chef General Alonso Manglano zu, von einem solchen Dokument gewußt zu haben. Allerdings handele es sich nur „um eine interne Reflexion“.

Perotes Anschuldigungen gehen noch weiter. Er selbst habe Manglano ein Dokument überreicht, in dem er im Oktober 1993 seinen Chef von den bevorstehenden Attentaten der GAL in Südfrankreich informierte. Vor seinen Augen habe Manglano das Papier mit „Pte für Freitag“ versehen. „Pte“ stünde für Presidente und damit für Felipe González.

Der meldete sich von einer Auslandsreise zu Wort. Die erneuten Anschuldigungen seien „absolut falsch und fast schon grotesk“. Reiner Wandler

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