Der Elan von einst ist futsch

Italiens „Volontariat“ fehlt trotz seines Zulaufs der Schwung  ■ Aus Rom Werner Raith

Wenn die Maestra Florianna, Grundschullehrerin in Terracina, auf die Ergebnisse ihres außerschulischen Einsatzes zurückblickt, kann sie „höchst zufrieden sein“. Gut zwei Dutzend treue Kinder hätten „für mehr als eine Million Lire kleine Dinge gebastelt und verkauft, was nun an Kinder in Ruanda geht. Andere wiederum haben fleißig Geld gesammelt für die Verwandtschaft aus Ex-Jugoslawien geflüchteter Jugendlicher.“ Und das Schönste dabei: „Die Jungen und Mädchen, die sich hier in der Grundschule engagiert haben, bleiben der guten Sache in aller Regel treu, sie arbeiten weiter, wachsen heran zu dauerhaft hilfsbereiten Menschen.“

Das „Volontariat“, wie Italiens sozial engagierte Freiwillige genannt werden, scheint also keine Nachwuchssorgen zu haben. Und dennoch: Neben der Pfarrei, in der die Kinder ihre Verkaufsgegenstände produzieren, wirbt verzweifelt ein Dutzend politischer Parteien um Mitarbeit: „Vorbei die schönen Zeiten“, sagt der frühere Vorsitzende der KPI, Sandro Salvadori, „in denen sich die Jugendlichen in das mickrige Zimmer der Parteisektion drängten und nachfragten, ob sie diese Woche bei der Altenhilfe eingesetzt werden oder Plakate kleben sollten.“

Auch die Gewerkschaften, die einst vom Einsatz der oftmals noch sehr jungen Freiwilligen profitierten, melden absolute Flaute: „Nicht ganz zu Unrecht“, räumt ein ehemaliger Regionalsekretär ein. „Die haben sich oft halbe Nächte um die Ohren geschlagen, um dann zu erfahren, daß ihre Bosse inzwischen bei Champagner und Kaviar mit Arbeitgebern unwürdige Kompromisse ausgehandelt oder gar einen Haufen Geld unterschlagen haben.“

Längst hat sich daher das Engagement derer, die sich einsetzen wollen, wegverlagert von den großen Organisationen: Auch wenn etwa Wohlfahrtsverbände noch immer über Zehntausende unbezahlter Helfer verfügen, so ist dort „eine starke Überalterung festzustellen“, wie ein Sprecher bei einem Treffen des Volontariats im letzten Jahr konstatieren mußte: „Fast nur noch Pensionäre engagieren sich bei uns, oder Frauen und Männer, die ohnehin schon in sozialen Berufen arbeiten, wie Lehrer oder Sozialarbeiter.“

Maestra Florianna sieht denn auch in ihrer Arbeit nach Schulschluß „die einzig verbliebene Chance, Jugendliche an soziale Aufgaben heranzuführen“. Die Schule, einst in Italien durch die enge Bindung an die Kirche auch inhaltlich stark auf soziales Engagement ausgerichtet, „bringt da kaum noch etwas“.

Wenn Volontären etwas Schlimmes zustößt

Zur großen Überraschung auch von Maestra Florianna gibt es aber in letzter Zeit beispielsweise Versuche, die ständig überlaufenen Auffangzentren für Drogenabhängige durch die Übernahme gefährdeter oder gar abhängiger Jugendlicher in „saubere“ Gruppen zu entlasten. „Voller Erstaunen“, berichtet ein Polizist in Terracina, habe er „bemerkt, daß entgegen unserer Befürchtung, der Süchtige würde die anderen anstecken, dieser von den Gruppenmitgliedern so betreut wurde, daß er langsam sauber wurde. Sie haben ihm eine Halbtagsarbeit im Betrieb eines der Väter verschafft, und schotten ihn hermetisch von seinen früheren Kumpanen ab.“

In der Hauptsache widmen sich die sozialen Initiativen in Italien zweifellos den Flüchtlingen. An die tausend Gruppen zählen die Volontariatsverbände derzeit. Sie helfen mittellosen Immigranten aus Albanien, Kriegsopfern aus Ex-Jugoslawien und nahezu Verhungerten aus Somalia über das vom Staat garantierte Überlebensminimum hinaus. Über 60 Prozent der Helfer sind Jugendliche. „Besonders erstaunlich ist“, vermerkt ein Tagungsbericht der Sozialhelferverbände, „daß auch und gerade dann, wenn Volontären irgendwo Schlimmes zugestoßen ist, die Zahl derer, die einspringen wollen, fast lawinenartig wächst.“ Als vor einem Monat vier Erwachsene und zwei Kinder einer Hilfsorganisation in Zaire ermordet wurden, gab es dem Bericht nach mehr als 700 Anfragen, ob man an ihre Stelle treten könne. Gut die Hälfte davon kam von Menschen zwischen 16 und 25 Jahren.