■ Querspalte
: Ja Kruzifix noch mal!

Heute ist erster Schultag, das ist meine Chance: Nach über 40 Jahren CSU- Fremdbestimmung kann ich meinen kleinen privaten Sieg erringen. Dank unserem Kultusminister Zehetmair! Der ist eben nicht nur ein aufrechter Kämpfer des Tuntenhausener Männervereins, sondern auch ein wahrer Demokrat. Wir Eltern sollen über das Kruzifix im Klassenzimmer entscheiden. Das Volk als Souverän über 40.000 Kruzifixe im Freistaat. Nein, nicht das Volk. Nur Atheisten und Angehörigen nichtchristlicher Religionen hat er ein Einspruchsrecht eingeräumt. Glück gehabt, vor Jahren bin ich schon aus der Kirche ausgetreten, damit also ein Ablehnungsberechtigter. Zehetmairs Verordnung schreibt vor, daß „qualifizierte Widersprüche“ gegen das Kruzifix an die Schulaufsicht und von dort aus bei Uneinigkeit direkt an das Ministerium gehen. Kein Problem, diskutiere ich halt mit dem Zehetmair direkt. Ich werde mein Recht jedenfalls wahrnehmen.

Doch schon warnt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vor Mobbing-Attacken. Kruzifixablehnenden Eltern und Kindern drohten „Einschüchterungsversuche und Ausgrenzung“. Wie war das gleich mit dem Kruzifix-Kläger? Morddrohungen, Belagerung des Hauses, Telefonterror. Und was passiert mit meinem Drittkläßler? Verbaue ich ihm nicht nicht die Zukunftschancen? Was sagt er eigentlich zum Kreuz? Ihm ist das wurscht, sagt er und behauptet gar steif und fest, im letzten Jahr habe in seinem Klassenzimmer gar kein Kreuz gehangen. Schmarrn – in jedem Schulzimmer war ein Kreuz. Dann eben nicht. Wieder nichts mit dem aufrechten Gang. Nicht dumm von Zehetmair: Er vertraut auf die Obrigkeitsschule und das Diktat der Mehrheit, delegiert das Problem einfach an uns Eltern und kann dann stolz vermelden, die Kruzifixablehnungen hätten sich, wenn überhaupt, im Promillebereich bewegt. So ein Mist. Und was bleibt mir? Nur daß Karl Valentin doch wieder mal recht gehabt hat: „Mögen hätten wir schon wollen, aber trauen haben wir uns nicht dürfen.“ Bernd Siegler