piwik no script img

„Toleranz wär' auch nicht schlecht“

■ Zwei Gymnasiastinnen zum Kreuz im Klassenzimmer: Der einen ist's egal, der anderen hilft's schon mal bei 'ner Klassenarbeit

Diana und Miriam (beide 16) werden heute zum Schulanfang in ihrem Klassenzimmer der 11. Klasse des Vöhlin-Gymnasiums im bayrischen Memmingen wieder ein Kruzifix vorfinden. Doch anders als im letzten Schuljahr wird diesmal wohl das Kruzifix etwas mehr Beachtung finden.

taz: Wie findet Ihr den Kruzifix- Streit?

Diana: Mir ist das Kruzifix gar nicht mehr aufgefallen. Das hängt halt über der Türe und hat mich, wenn ich ehrlich bin, überhaupt nicht gekümmert.

Miriam: Also, für mich hat das schon eine Bedeutung. Mir ist es schon so gegangen, wenn ich aufgeregt war, bei 'ner Schulaufgabe, dann habe ich hochgeschaut zum Kreuz, hab' gebetet, und das hilft mir. Aber was die aktuelle Diskussion angeht: Ich glaub', das wird schon noch kräftig Diskussionsstoff geben. Doch es stimmt schon. Bislang haben wohl nur einige wenige darauf geachtet.

Was soll nun passieren? Muß das Kreuz jetzt weg im Klassenzimmer oder nicht?

Diana: Also, mir ist das egal. Wenn sich einer dran stört, dann kann's ruhig weg. Mich stört's nicht.

Miriam: Ich find's gut, wenn's hängenbleibt, weil's mir selbst eben was bedeutet. Ich hab' aber nichts dagegen, wenn ein gläubiger Jude oder Moslem sagt, er möchte gern daneben seinen Halbmond oder Davidstern aufhängen.

Nun scheint es aber so zu sein, daß der Untergang des Abendlandes droht, wenn es doch abgehängt werden müßte, das Kruzifix. Was gedenkt Ihr also zu tun?

Miriam: Ich finde, daß die CSU sich jetzt auf einmal auf diese Weise auf die Bedeutung des „C“ in ihrem Parteinamen besinnt, ist eigentlich ein politisches Sommertheater. Das Kreuz, das sollten wir nicht vergessen, ist auch ein ganz besonderes Symbol der Toleranz, wobei die Diskussion mit Toleranz nicht mehr viel zu tun hat.

Diana: Ich find' das blöd, die glauben doch bloß, sie könnten jetzt ihre Wähler damit beeindrucken. Wenn es ums Kreuz geht, wird ein Riesentamtam gemacht, aber gleichzeitig schieben sie Kurden ab oder kroatische Kriegsdienstverweigerer.

Miriam: Da geb' ich Dir recht. Wenn die 'nen jungen Kroaten abschieben, wo sie genau wissen, daß ihm wegen des Verweigerns die Todesstrafe droht, wenn solche Leute sich dann so fürs Kreuz einsetzen, dann finde ich das absolut geschmacklos.

Diana: Das Verfassungsgerichtsurteil, soweit ich das mitbekommen habe, wird doch jetzt auch völlig zerredet. Es muß doch das Kreuz gar nicht unbedingt abgehängt werden. Es heißt doch nur, daß der Zwang zum Aufhängen nicht zulässig ist, und das ist doch richtig so.

Miriam: Also, das Aufhängenmüssen gefällt mir auch nicht. Insofern kann ich das Urteil schon verstehen. Freilich hoffe ich, daß es hängenbleiben kann. Ich kann es auch nicht nachvollziehen, wie sich jemand durch ein Kreuz gestört fühlen kann. Bei uns in der Schule hängt ja auch kein Corpus dran und außerdem ist es im Gymnasium ja eh freiwillig. In der Grundschule fände ich es schon gut, wenn der Lehrer mal ausführlich den Schülern erläutern würde, was das bedeutet, daß da ein Kreuz hängt. Vielleicht wird ja jetzt doch wieder etwas mehr über den Sinn nachgedacht. Interview: Klaus Wittmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen