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Löcher im Bodenschutz

Zehn Jahre hat's gedauert und ist doch nicht gut: Das geplante Bodenschutzgesetz sorgt nicht für die Entgiftung von Äckern und Gärten  ■ Von Detlef Stoller

Die Idee, den Boden genau wie Wasser und Luft unter Schutz zu stellen, ist nicht ganz neu. Genau gesagt hat die Bundesregierung schon vor zehn Jahren eine Bodenschutzkonzeption vorgelegt, weil „der Boden zusammen mit Wasser, Luft und Sonnenlicht Grundlage allen Lebens [...] ist. [...] Dies schließt die Verantwortung für die nachkommenden Generationen ein, denen die Folgelasten aus der Gegenwart nicht aufgebürdet werden sollen.“

Doch dann passierte jahrelang nichts. Die Chemielobby mauerte, weil eine teure Altlastensanierung ihre Gewinne schmälern würde. Und die Lobby der Agrarindustrie wußte zu verhindern, daß die Spritzen- und Dünger-Landwirtschaft auf den gesetzlichen Prüfstand gestellt wird. Erst in der vergangenen Legislaturperiode versuchte der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) erstmals einen Entwurf für ein Bodenschutzgesetz ins Parlament zu bringen. Vergeblich: Töpfer scheiterte mit seinen zum Teil ambitionierten Plänen schon im Vorfeld. Erst Nachfolgerin Angela Merkel (CDU) bringt jetzt einen Entwurf in die Diskussion. Nachhaltig soll die Bodennutzung in Deutschland werden, die Leistungsfähigkeit des Bodens soll erhalten bleiben. Doch was heißt das praktisch?

Erstens: daß der Flächenklau beim Straßenbau weitergeht wie bisher. Ausgerechnet den immer weiter steigenden Flächenverbrauch durch Straßen und Bahnlinien klammert das Ministerium nämlich bei dem im Gesetzentwurf vorgesehenen Nutzungsbeschränkungen aus. Ähnliche Ausnahmen gelten auch für militärisch genutzte Flächen, Flächen, die unter das Bundesberggesetz fallen, und Atomanlagen.

Zweitens: daß der Boden nicht wirklich saniert, sondern nur wieder wirtschaftlich nutzbar gemacht wird. Der Gesetzgeber verabschiedet sich mit dem neuen Entwurf juristisch von dem Gedanken, daß Boden für alle Nutzungen saniert werden soll. Auf Industriebrachen sollen auch in Zukunft keine Kindergärten entstehen können. Das wäre zu teuer. Eine Fläche, die heute verseucht ist, darf auch künftig verseucht bleiben, wenn wieder ein belastender Industriebetrieb dort angesiedelt wird. Nachhaltig betreibt der Gesetzentwurf nicht den Bodenschutz, er verstetigt nur die Vergiftung der Böden.

Drittens: daß weiter nur Gefahrenabwehr statt Vorsorge stattfindet. Eine Sanierungspflicht für vergiftete Böden besteht nach dem Gesetzentwurf nämlich erst dann, wenn von einer Altlast unmittelbare Gefahren ausgehen. Vorsorgende Sanierung – etwa innerstädtischer Brachflächen – sieht der Gesetzentwurf nicht mehr vor. Doch die Sanierung bei unmittelbar gefährlichen Altlasten ist schon heute nach dem Polizei- und Ordnungsrecht vorgeschrieben. Zahlen für die Sanierung muß nach dem Gesetzestext der Verursacher schädlicher Bodenverunreinigungen. Wenn der nicht greifbar ist, sollen Grundstückseigentümer oder Pächter zur Kasse gebeten werden. Da dies nach zwei Jahrhunderten Industrieschweinerei in aller Regel der Fall ist, lauert im Gesetzestext jetzt eine gefährliche Falle für Bewohner von Altlasten. „Es ist doch ungerecht, ahnungslose Hauskäufer mit dem gesamtgesellschaftlichen Problem der Altlasten allein zu lassen. Sie auch noch zur Sanierung heranzuziehen, wenn sie weder Verursacher sind noch von der Altlast etwas wußten, ist sozial verantwortungslos und darf so nicht im Gesetz stehenbleiben“, schimpft zum Beispiel Gabriele Rebbe, Vorsitzende des Bundesverbandes Altlasten- Betroffener. Altlastbewohner müßten in diesem Fall von der Haftung freigestellt werden.

Viertens: daß auch in Zukunft das Grundwasser nicht vor Vergiftung durch Altlasten geschützt wird. Künftig sollen Gewässerverunreinigungen durch Altlasten in den Geltungsbereich des Bodenschutzgesetzes fallen. Da Grundwassersanierungen bisher nach unterschiedlichen landesrechtlichen Vorschriften erfolgen, verspricht sich das Bundesumweltministerium von der Neuregelung, daß „die Sanierungsverfahren [...] nunmehr effektiver und schneller durchgeführt werden“ können. Doch Thomas Lenius vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnt vor Euphorie: „Der Entwurf des Bodenschutzgesetzes regelt weitgehend nur die Sanierung bereits durch Altlasten belasteter Grundwässer. Wirklich präventiver Grundwasserschutz muß auch präventiver Bodenschutz sein. Den läßt das Gesetz vermissen.“

Und fünftens: daß Giftspritze und Kunstdüngerstreuer auch künftig als ordnungsgemäße Landwirtschaft unter dem Schutz des Gesetzes stehen sollen. Die direkte Auseinandersetzung mit der Agrarlobby hat das Umweltministerium in dieser Frage nämlich verloren gegeben. Die in Töpfers Entwurf des Bodenschutzgesetzes noch enthaltene Ermächtigung, die sogenannte gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft neu zu definieren und festzulegen, fehlt jetzt. Die Grundsätze der guten fachlichen Praxis sollen vielmehr von landwirtschaftlichen Beratungsstellen vermittelt werden.

Durchgängig bleibt der Eindruck zurück, daß die Lobbygruppen der Industrie ganz Arbeit geleistet haben. Und sie werden noch weiter Gelegenheit zum Verwässern des Gesetzeswerkes haben. Denn um wirklich zu greifen, muß das Bodenschutzgesetz mit zahlreichen Verordnungen ausgefüllt werden. Die enthalten dann die Grenzwerte für die zulässige Vergiftung. Die Bestimmung dieser Grenzwerte ist reine Politik – mit Wissenschaft hat sie nichts zu tun.

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