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Faktische Nullsumme bei VW-Tarifverhandlungen

■ Konzern und IG Metall einigen sich in in der sechsten Verhandlungsrunde

Hannover (taz) – Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen, ein paar Pfennige mehr auf dem Konto und eine nochmalige Flexibilisierung der Arbeitszeit – das bringt den 98.700 Beschäftigten der Volkswagen AG der Abschluß der VW-Tarifverhandlungen.

Nach achtzehnstündigen Verhandlungen waren sich die IG Metall und der Autokonzern gestern früh am Ende der sechsten Runde einig geworden. Vier Prozent mehr Lohn, einen unbefristeten Beschäftigungsicherungsvertrag, kräftige Erhöhung des Urlaubsgeldes und einen weiterhin im Grundsatz arbeitsfreien Samstag konnte die Gewerkschaft danach als Erfolg der langwierigen VW-Tarifverhandlungen verkünden. Dem Erfolg steht allerdings der Beitrag der Arbeitnehmer zur Beschäftigungssicherung gegenüber: Unentgeltliche Arbeit von 1,2 Stunden pro Woche und eine Absenkung der Mehrarbeitszuschläge hatte die Gewerkschaft für die Fortschreibung der die Beschäftigung sichernden 28,8-Stunden- Woche akzeptiert. Im Resultat kassiert der Tarifabschluß damit die vereinbarten nominellen Lohnerhöhungen an anderer Stelle wieder ein. Die vereinbarte Erhöhung der Löhne und Gehälter tritt am 1. 1. 1996 in Kraft und gilt für 19 Monate. Da der alte Tarif schon am 31. Juli ausgelaufen war, wurde für August und Dezember eine Einmalzahlung von monatlich je 200 Mark für alle Beschäftigten vereinbart. Alle Angestellten und die nach Zeitlohn bezahlten VW- Arbeiter sollen ab Beginn des nächsten Jahres 1,2 Stunden pro Woche kostenlos arbeiten. Diese 1,2 Wochenstunden werden von vornherein als „Soll“ auf dem flexiblen Arbeitszeitkonto eingetragen. Da in den sechs VW-Werken gegenwärtig real ziemlich genau 30 Stunden pro Woche gearbeitet wird, entspricht dieses „Soll“ exakt einer Lohnsenkung von vier Prozent. Die im Akkord arbeitenden VW-Werker sollen pro Stunde 2,5 Minuten bisher bezahlter Pause verlieren, was vier Prozent der Stundenarbeitszeit entspricht. So wird Anfang nächsten Jahres mit der vierprozentigen Lohnerhöhung gleichzeitig eine vierprozentige Lohnsenkung in Kraft treten.

Beim Urlaubsgeld haben sich die Tarifparteien auf eine Erhöhung von 836 Mark geeinigt. Zusammen mit einer geringeren Erhöhung des Weihnachtsgeldes werden die VW-Beschäftigten gut 900 Mark pro Jahr mehr erhalten. In der gleichen Größenordnung von 75 Mark pro Monat bewegen sich jedoch die Lohneinbußen, die VW-Beschäftigte durch die Absenkung der Mehrarbeitszuschläge hinnehmen müssen: Der Zuschlag für Samstagsarbeit wird von 50, der für normale Überstunden von 40 auf 30 Prozent gesenkt.

Der Beschäftigungssicherungsvertrag, den die Gewerkschaft für diese faktische Nullrunde beim Nominallohn durch Verzicht auf Inflationsausgleich erstritten hat, ist zwar unbefristet, aber wie jeder Tarifvertrag kündbar, erstmals zum 31. 12. 1997. VW betonte gestern denn auch, daß das „Unternehmen bis zum 31. 12. 97 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet“. Die Arbeitszeit wird weiterhin 28,8 Wochenstunden betragen, kann aber je nach saisonaler Nachfrage künftig zuschlagsfrei auf bis zu 38,8 Wochenstunden ausgedehnt werden. Die Zustimmung des Betriebsrates vorausgesetzt, soll künftig auch an zwölf Samstagen gearbeitet werden. Jürgen Voges

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