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Die „Israel-Chauvinistin“

■ Den hiesigen Bühnen geht es doch fantastisch, findet Orna Porat: Die Diva des israelischen Theaters besuchte und bezauberte Bremen

Gerade hat sie einen neuen Gipfel gestürmt. „Im Herbst spiele ich den King Lear“. Orna Porat, die Grande Dame des israelischen Theaters, bedeckt die langen grauen Haare mit ihren schmalen, sehnigen Händen. „Was meinen Sie, ob ich mir eine Glatze schneiden lasse?“

Man nähme ihr den König auch ohne Glatze ab – aber entscheiden wird sie das ohnehin alleine. Selbst gute FreundInnen erwarten wohl kaum, wirklich gehört zu werden. Schließlich ist Orna Porat bekannt für eigenwillige Entscheidungen. Das war schon so, als sie noch Irene Klein hieß und gerade ihr erstes Engagement an der Schleswiger Bühne hatte. Jetzt kam sie nach Deutschland zurück – nur für einen kurzen Besuch. Den hatten die „Bremer Freunde Israels“ arrangiert, die auch jenseits von Ereignissen wie der „Israelwoche“ Verbindungen stiften wollen. Und Orna Porat ist als Verbindungsfrau geeigent wie kaum eine zweite.

„Warum willst du ausgerechnet in ein Land voller Sand und Kamele?“ Als die Mutter 1947 von den Auswanderungsplänen der Tochter erfuhr, war sie wenig begeistert. „Was ist schlecht an der Schweiz oder an England?“. Aber da war die junge Sozialistin Irene schon hoffnungslos in einen britischen Soldaten verknallt, in einen gebürtigen Kölner Juden. Das war ihr Glück: Statt ins Land der politischen Träume, nach Rußland, führte die Reise nach Palästina. „Die Kibbuzim erschienen mir schließlich sozialistisch genug“, lacht die erfolgreiche Schauspielerin heute. „In Rußland wäre ich mit meinem Mundwerk wohl im Gulag gelandet.“

In Tel Aviv wurde aus der deutschen Irene die israelische Orna –und aus der Schauspielerin erstmal eine Putzfrau. Egal, wo sie vorsprach, überall hieß es, „lernen Sie erst mal hebräisch.“ „Trotzdem, es war eine schöne Zeit“, betont sie heute. Niemand habe sie schlecht behandelt, nur weil sie eine Deutsche war. „Und natürlich wußten das damals alle. Ich wurde doch gefragt, wie ich überlebt habe. Da mußte ich erzählen, daß ich nicht aus jüdischem Haus stamme.“

Ein Jahr brauchte Orna Porat, dann stand sie doch wieder auf der Bühne. Das war noch vor ihrer Konvertierung zum Judentum und den ersten großen Erfolgen der 50er Jahre. Vom fortschrittlichen Kammertheater-Kollektiv wurde sie immer wieder weg ans Nationaltheater engagiert. Sie wurde berühmt. Als Golda Meir starb, las sie an deren Grab aus den Tagebüchern der Staatsfrau. Da lag Deutschland schon weit hinter Orna Porat.

Wie groß die Entfernung zwischen Israel und Deutschland ist, das zeigte auch der Besuch Orna Porats am Dienstag: Kaum 30 BremerInnen folgten der Einladung der „Bremer Freunde Israels“ in den Kapitelsaal, wo die Israelin über das Theater in der Wahlheimat sprach – und am Rande auch über das deutsche Theater.

„Den hiesigen Bühnen geht es doch fantastisch.“ Sie könne die Klagen über das Geld schwer verstehen. In Israel spielen die Theater mindestens die Hälfte der eigenen Kosten ein – und das sei gut so. „Man will doch nicht vor leeren Bänken spielen.“

Nach diesem Grundsatz arbeitete sie selbst 19 Jahre lang, als sie das staatliche Kindertheater leitete – wenn auch eher aus Zufall. Der Erziehungsminister hatte ihren Vorschlägen von einem Kindertheater nur zustimmen wollen, wenn Orna Porat es selbst in die Hand nahm. Da wurde ihr der gute Name fast zum Verhängnis. „Die Zeit dort war eigentlich zu lang“, blickt sie zurück. „In Deutschland hätte ich dafür sicher nicht die Karriere unterbrochen.“

Anders in Israel. Über das Kindertheater wollte sie auch die unbelecktesten Einwanderer für das Schauspiel begeistern. „Wissen Sie, ich bin eine Israel-Chauvinistin“, erklärt Orna Porat freimütig. „Israel hat die meisten Theatergänger der Welt. Diesen Rekord wollte ich unterstützen.“

ede

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