: Auto – weiter echt gut im Trend
■ Heute wird IAA in Frankfurt eröffnet. VCD: Schwarze Messe der PS-Saurier
Frankfurt (taz) – Ab heute zehn Tage lang Autos, Autos und nichts als Autos. Die 56. Internationale Automobilausstellung (IAA) öffnet ihre Tore. Zwei Tage werden nun Einkäufer und Händler Karosserien streicheln, Lackfarben und Frontscheiben, Autoelektrik und Zuliefererangebote prüfen. Dann darf, ab Samstag, auch die autonärrische Öffentlichkeit bis 24. September große und kleine Modelle der 1.147 Aussteller aus 38 Ländern bestaunen. Nein, die Deutschen sind, Öko hin und Ozon her, ihres liebsten Kindes nicht überdrüssig geworden. Die Zulassungen steigen europaweit ungebrochen an. Alle Hersteller meldeten pünktlich zum Messebeginn steigende Gewinne und überboten sich mit der Veröffentlichung von Absatzzahlen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht sich deshalb mit dem Motto seiner Verkaufsschau voll im Trend: „Auto – echt gut!“
Und den Ansturm auf die Messe, bei dem – reale Ironie – auf Frankfurts Straßen alle zwei Jahre gar nichts mehr geht, soll durch 22.000 Besucherparkplätze, Pendelbusse und Sonderzüge aufgefangen werden. Der VDA teilte außerdem pflichtschuldigst mit, daß die Tendenz der IAA-Gäste, mit dem Zug anzureisen, erfreulich steigend sei: 1991 schlappe fünf, 1993 schon stolze acht Prozent.
Der smarte junge Mann von Opel rückt sein Aktenköfferchen gerade und das Weltbild „verwirrter Umweltschützer“ zurecht. Denen fehle es an allem, an Sinn für Ästhetik, Individualität, Freiheitswillen, Innovationsfreude. Ob er sich als Verkäufer nicht wie ein Dealer einer besonders gefährlichen, gar tödlichen Droge fühle? Nein, i wo, natürlich nicht: „Autos wird es immer geben!“ Und warum soll er sie dann nicht auch verkaufen und dabei sehr gut verdienen, ehe das andere tun? Und präsentiert unversehens nicht nur Blech, sondern sich selbst. Pariser Markenhemd, Kammgarnanzug, „federleicht, fühlen Sie mal“, handgenähte, englische Schuhe: „Was ist daran so übel?“ Der Rest, meint er, sei „der Neid der Besitzlosen!“ Öko-Auto? Nein, danke!
Dabei kann auch Öko teuer sein. Die Firma Mitsubishi rechnet vor, daß sie für den Prototyp „Galant“ mit dem „Wundermotor“, Benziner, direkteinspritzend, als Einzelexemplar 800.000 Mark investiert habe. In Serie würde das Drei-Liter-Auto immer noch 80.000 Mark kosten. Es soll erst ab 1998 in Europa angeboten werden. Daß es ein Geschäftserfolg wird, glaubt der Hersteller nicht. Aber Öko-Autos gehören mittlerweile, gab er augenzwinkernd zu verstehen, nun einmal zum guten Ton.
„Galant“ ist nur eines der rund 100 neuen Fahrzeugmodelle, die die Automobilhersteller in diesem Jahr präsentieren. BMW preist seinen Erdgasantrieb unter einem Olympiazeltdach im Freigelände als umweltfreundliche Weltneuheit. In Halle 1 wirbt Twike für einen dreirädrigen Kabinenroller mit Elektromotor, Ladezeit zwei Stunden, Reichweite bis zu 100 Kilometern und, bei gemächlicher Reise, Energiekosten von 1,50 Mark für die Fahrt von Berlin nach München. Das entspreche dem Verbrauch von 0,5 Litern Heizöl ab Blockheizkraftwerk. Damit wäre der 85-km/h-Kriecher ausgesprochen steuergünstig, wenn die künftige KfZ-Steuer, wie gestern vom Bundesverband der Deutschen Industrie gefordert, schadstoffabhängig erhoben würde.
Aus Bonn wetterte der Verkehrsclub Deutschland (VCD) gegen die „schwarze Messe klimaschädigender PS-Saurier“. Er listet auf, daß die Entwicklung ungebrochen zu größeren, schnelleren und stärkeren Luxusmodellen gehe. Alles andere sei „ökologisches Lippenbekenntnis“, die Produktion von Zweit- oder Drittwagen.
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