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Gentech bedroht Bio-Anbau

Selbst in der Nähe von biologisch wirtschaftenden Demeter-Bauernhöfen dürfen Freisetzungen genmanipulierter Pflanzen stattfinden  ■ Von Christian Rath

Berlin (taz) – Das Berliner Verwaltungsgericht hat für zwei umstrittene Freisetzungsversuche grünes Licht gegeben. Mehrere Biobauern hatten um einstweiligen Rechtsschutz gebeten, weil sie sich durch die Versuche in ihrer Existenz bedroht sehen. Das Verfahren war mit Spannung erwartet worden, denn erstmals hatte das bundesweit für Freisetzungsversuche zuständige Gericht eine mündliche Verhandlung angesetzt.

Die „Lebensgemeinschaft Bingenheim“ ist eine anthroposophische Behinderteneinrichtung, die in ihrer Gärtnerei nach Demeter- Richtlinien Gemüseanbau betreibt und Saatgut züchtet. Im hessischen Wölfersheim – ganz in der Nähe – wollte die Agrochemietochter von Hoechst und Schering, AgrEvo, in diesem Sommer einen Freisetzungsversuch mit genmanipuliertem Mais und Raps durchführen. Saatzuchtleiter Thomas Heinze fürchtet jedoch massive Absatzeinbußen, wenn die Genversuche in seiner Nachbarschaft beginnen.

Ähnliche Probleme hat der Demeter-Bauer Martin Hämmerlin im südbadischen Buggingen. Rund 800 Meter von seinem Hof entfernt wollte die holländische Firma Van der Have in diesem Sommer gentechnisch manipulierten Mais aussäen. Hämmerlin fürchtet, daß die Pollen vom Van-der-Have-Feld seine eigenen Maispflanzen befruchten könnten. Sein Mais wäre dann zwar resistent gegen das Pflanzenschutzmittel Basta – doch auf derartige Chemiegifte verzichtet Hämmerlin ja ausdrücklich. Daß es zur Befruchtung mit genmanipulierten Pollen kommen könnte, hält auch die Genehmigungsbehörde, das Berliner Robert-Koch-Institut (RKI), für „möglich“. RKI-Justitiar Michael Bast kann hierin jedoch „keinerlei Gefahrenlage“ erkennen.

Dagegen garantiert der Demeter-Bund, daß Produkte, die dieses Warenzeichen tragen, keinerlei manipuliertes Genmaterial enthalten. Für Thomas Heinze ist das völlig berechtigt: „Durch die Genmanipulationen können toxische Stoffe entstehen, es können Allergien ausgelöst werden. Wir wissen es nicht, haben aber die Natur aus der Hand gegeben.“

Das Gericht interessierte sich allerdings vor allem für die drohenden Umsatzeinbußen der Biobetriebe. Der Vorsitzende Richter Bernd-Lutz Blömecke versuchte sogar, die beteiligten Parteien zu einem Vergleich zu bewegen. Seine Idee: Der genmanipulierte Mais sollte so bearbeitet („entfahnt“) werden, daß er gar keine Pollen mehr abgeben kann. Beim Raps sollte ein französisches Spezialsaatgut mit stark überwiegenden unfruchtbaren Pollen verwendet werden. Doch die Kläger verweigerten dem Deal ihre Zustimmung. Sie haben nämlich nicht nur Angst vor einer direkten Kreuzung ihrer Pflanzen mit den genmanipulierten Gewächsen. Sie fürchten darüber hinaus, daß es durch sogenannte springende Gene zu einer Verbreitung des unerwünschten Genmaterials kommen könnte.

Sehenden Auges nahmen die KlägerInnen dabei die juristische Niederlage in Kauf. Immerhin waren vom Berliner Verwaltungsgericht bisher alle Klagen gegen Versuchsgenehmigungen abgelehnt worden. Das Gericht ist bundesweit zuständig, weil sich die Klagen jeweils gegen die Genehmigungen des RKI wenden müssen.

Michael Kleine-Cosak, der Anwalt der Gentechnologie-GegnerInnen, hat auch diesmal – trotz mündlicher Verhandlung – nichts anderes erwartet. „Wir können immer nur sagen: Dies ist möglich, jenes kann nicht ausgeschlossen werden. Echte Gesundheitsschäden durch genmanipulierte Lebensmittel können auch wir noch nicht nachweisen.“ So sah es ebenfalls Richter Blömecke: „Wenn Sie in fünf Jahren beim Oberverwaltungsgericht angelangt sind, gibt es vielleicht die Untersuchungen, die uns heute noch fehlen.“ Die Kläger sind tatsächlich entschlossen, das Verfahren durch alle Instanzen zu führen.

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