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Frischer Wind gegen Polit-Mief

■ Zehn Parteien treten am 24. September zur Stadtverordnetenwahl in Bremerhaven an / Neue Arbeitsplätze schaffen wollen sie alle

In acht Tagen ist es soweit: Die Bremerhavener wählen ihre Stadtverordnetenversammlung. Es ist das zweite Mal, daß die Seestädter aufgerufen sind, ihren Stimmzettel in die Wahlurne zu werfen. Nachdem sie im Mai ihr Landesparlament gewählt hatten, sollen sie sich jetzt entscheiden, wer in den nächsten vier Jahren die Geschicke der Stadt bestimmt. Insgesamt zehn Parteien stellen sich zur Wahl. Eins eint sie alle: Sie wollen Arbeitsplätze schaffen und Bremerhaven – den wirtschaftlich maroden Karren – aus dem Dreck ziehen.

„Mit frischer Kraft für Bremerhaven“ ziehen die SpitzenkandidatenMartina Kirschstein-Klingner und Melf Grantz für die SPD in den Wahlkampf. „Die Zeit der Einzelkämpfer in der Politik ist endgültig vorbei“, sagt die 46jährige Banckauffrau Martina Kirschstein-Klinger. Sie ist Anfang 1993 als Stadtverordnete nachgerückt. Ihr Genosse, der 33jährige Rechtsanwalt Melf Grantz, bringt mehr Erfahrung mit: Er ist seit 1987 Stadtverordnete und war bisher ehrenamtlicher Stadtrat für Jugend und Familie. Trotz der Zweiteilung bei der Kandidaten, setzt Grantz auf Einigkeit. „Die SPD wird in der nächsten Stadtverordnetenversammlung wieder eine einheitliche Sprache sprechen“, verspricht er und spielt auf die derzeitige Zerissenheit der Fraktion an. „Trotz wirtschaftlicher Misere müssen die Gelder gerecht verteilt werden“, fordert Kirschstein-Klinger. Dem hat auch Grantz nichts hinzuzufügen. Wenn es nach ihm geht, ist eine Große Koalition durchaus denkbar. „Fortschrittlicher wäre allerdings eine Koalition, mit einem kleineren Bündnispartner.“ Eine Koalition mit der AfB ist für ihn kein Thema. „Mit Verrätern arbeite ich nicht zusammen.“

Dann kämen nur noch die Grünen in Frage. Auch dort setzt man auf frischen Wind und junges Blut. 19 Jahre alt ist die Spitzenkandidatin Birgit Spohn. Die Politologie-Studentin ist seit einem Jahr Parteimitglied. Ihre politische Karriere begann sie im zarten Alter von zwölf Jahren – bei einer Schülerorganisation für Umweltfragen. 1993 gründete sie die grüne Jugendinitiative in Bremerhaven. Ein Jahr später wurde sie Bundessprecherin. „Ich glaube, damals wurde ich auch für die Partei interessant“, sagt Birgit Spohn. Als Stadtverordnete will sie sich vor allem für Frauenthemen stark machen.

Auch die CDU-Fraktion setzt auf einen Newcomer in der Politik. Sie schickt den ehemaligen Marine Kapitän Hans-Petersen ins Rennen. Nach seiner Pensionierung wollte der 59jährige die Hände nicht in den Schoß legen. „Ich bekomme eine gute Pension und wollte meine Zeit der Allgemeinheit zur Verfügung stellen“, erzählt er. Petersen strebt eine Koalition mit der AfB und der FDP an. Die ganz ganz große Koalition soll in Bremerhaven Arbeitsplätze schaffen und die marode Wirtschaft in Schwung bringen. „nach 40 Jahren SPD-Filz brauchen wir die CDU“, lautet sein Wahlspruch. Da stimmt auch der FDP Spitzenkandidat Willy Wedler ein. „Nach 40 Jahren gehört jede ordentliche Partei in die Opposition“, sagt der Diplom-Volkswirt und Datenschützer. Seit acht Jahren sitzt er in der Stadtverordnetenversammlung. Er ist sicher, daß die FDP in Bremerhaven die fünf Prozent Hürde schafft. „Wir haben ja den Oberbürgermeister Manfred Richter. Da fällt bestimmt was für uns ab“, hofft er. Wenn seine Hoffnungen erfüllt werden, will er eine Koalition mit der CDU. „Wir müssen endlich neu anfangen.“ „Aufbruchstimmung“ in Bremerhaven wittert auch Helmut Kuhlmann, Spitzenkandidat der AfB. Der 55jährige Kaufmann ist Geschäftsführer der „Boot Bremerhaven“. Er gilt als Ziehsohn von Werner Lenz, der „Boot Bremerhaven“ ins Leben gerufen hat und Kuhlmann zum Geschäftsführer machte. Kuhlmann sieht sich gern als „Alt-68er“ der die „verkrusteten Strukturen“ in Bremerhaven aufbrechen will.

Mit all „diesen Leuten“ von den „Altparteien“ hat Siegfried Tittmann nichts am Hut. „Protest aber richtig“, schreit die Deutsche Volksunion (DVU) auf ihren Wahlplakaten. „Siggi los “, feuern die Rechten ihren Spitzenkandidaten an. Siegfried Tittmann, der in der Stadtverordnetenversammlung vor allem durch ausländerfeindliche Reden aufgefallen ist, will wieder mitmischen (Es geht nicht an, daß Asylanten eine Wohnung haben, während deutsche Obdachlose auf der Straße liegen). Der Fraktionsvorsitzende hat „ein Herz für Tiere“. „Was der Mensch den Tieren antut, kann er im Leben nicht wiedergutmachen.“ „Über den Magistrat muß die Bürgerschaft eine Gesetzesänderung durchsetzen gegen Tiertransporte “. kes

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