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Zwei Schritte vor und einer zurück

■ Von "Revolution" bis "müde Lippenbekenntnisse" reichen die abschließenden Bewertungen der UNO-Weltfrauenkonferenz. Ein reiner Verteidigungskampf gegen konservative Hardliner war sie jedenfalls nicht. Aus

Zwei Schritte vor und einer zurück

„Woran werden wir uns erinnern? Übereifrige Sicherheitsvorkehrungen? Die Handflächen von Polizisten? Nicht erteilte Visa? Ja, aber solche Praktiken können und werden nicht lange währen. Laßt uns heute unsere strategischen Siege zählen und nicht die taktischen Niederlagen. Was wir erreicht haben ist, das Leben von Mädchen und Frauen zu entklammern. (Die meisten Formulierungen, die sich auf Rechte von Frauen beziehen, standen zu Konferenzbeginn noch in Klammern, d. Red.) Jetzt müssen wir weitermachen. Die Geschichte aller Freiheitskämpfe sagt uns, daß Leben, Freiheit, Gleichheit und Chancen niemals gewährt wurden. Sie sind immer errungen worden“, sagte Norwegens Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland gestern zum Abschluß der Weltfrauenkonferenz in Peking. Kurz zuvor hatte Perus Präsident Fujimori den Vatikan kritisiert, der in dem lateinamerikanischen Land „den Staat daran hindert, eine moderne und rationale Politik der Familienplanung durchzuführen“. Nach zwölf Tagen endete damit die vierte UNO-Weltfrauenkonferenz in Peking.

Bis morgens um sechs hatten die Verhandlerinnen noch um die Formulierungen der 150seitigen „Aktionsplattform“ gefeilscht. Da traditionell nicht über die Erklärungen von UNO-Konferenzen abgestimmt wird, wurden die Dokumente gestern nachmittag im Plenum im Konsens angenommen. Rund dreißig Staaten haben Vorbehalte zu einzelnen Textstellen angemeldet.

Die allseitig verkündete übermüdete Zufriedenheit war gestern fast ein bißchen unheimlich. Noch am Donnerstag gaben VertreterInnen der Hardliner-Delegationen aus dem Iran und dem Sudan Pressekonferenzen, in denen sie erklärten, daß sie sich an die gemeinsamen Beschlüsse nur teilweise halten wollten. Auch der Vatikan hatte sich kurz zuvor noch einmal mit einem kritischen Flugblatt gemeldet.

Wenn auch wenige Delegierte soweit wie die Generalsekretärin der Frauenkonferenz, Gertrude Mongella, gehen wollten, die von einer „Revolution“ sprach, äußerten sich doch nicht nur RegierungsvertreterInnen – die ja quasi von Amts wegen Optimismus auszustrahlen hatten – positiv. Unter den rund 4.000 NGO-Frauen war die Stimmung ähnlich: „Es ist besser gelaufen als erwartet“, sagte die Vertreterin des deutschen NGO- Forums, Ruth Klingebiel, über das Ergebnis. In der Kritik stand jedoch die große Distanz zwischen dem, was von Delegierten und „professionellen Lobbyistinnen“ bei der UNO verhandelt wurde, und den Frauen aus den regierungsunabhängigen Gruppen.

Die anfängliche Befürchtung, daß längst erreichte Rechte gegen den Vatikan und eine Handvoll katholischer und islamischer Regierungen verteidigt werden müsse, hat sich so nicht bestätigt. Ein sudanesischer Delegierter argumentierte zwar noch am Donnerstag, daß eine UNO-Frauenkonferenz „keine neuen Menschenrechte schaffen“ dürfe.Dazu hätten die heiß umkämpften „sexuellen Rechte“ gehört, die keinen Eingang ins Dokument fanden. Doch auch deren Befürworterinnen waren zufrieden: Statt von sexuellen Rechten ist nun vom Recht der Frauen auf Selbstbestimmung in allem, was ihre Sexualität und das Kinderkriegen betrifft, die Rede. Damit ist das Recht der Frau, auch im Ehebett nein zu sagen oder sich für lesbische Liebe zu entscheiden, ebenso gemeint wie die Unrechtmäßigkeit von Zwangsabtreibungen. Die Lesben waren es zufrieden. Zwar durfte auch das Wort „sexuelle Orientierung“ in der Plattform nicht mehr auftauchen. Dennoch hatten die Lesben etwas erreicht, was bislang in der UNO als Ungeheuerlichkeit gegolten hat: Ihre Vertreterin, eine Südafrikanerin, sprach offen vor dem Plenum der UNO-Delegationen. Das war vor allem für viele Delegierte aus anderen afrikanischen und asiatischen Staaten schwer verdaulich, wo Homosexualität immer noch als westlich-dekadente Abartigkeit gilt.

Die VertreterInnen des Vatikans, die in der ersten Woche sehr im Rampenlicht gestanden hatten, hielten sich in den letzten Tagen äußerst zurück. Allerdings gab er gestern bekannt, er werde nur einen Teil der Plattform mittragen: Das gesamte Kapitel, das sich mit Gesundheit beschäftigt, wird vom Vatikan abgelehnt. „Meine Delegation bedauert, in dem Text einen übertriebenen Individualismus zu finden, in dem zentrale, relevante Verfügungen der universellen Deklaration der Menschenrechte geschmälert werden – zum Beispiel die Verpflichtung der Mutterschaft“, so die Begründung. „Darüber hinaus könnte die weitgehende Formulierung so interpretiert werden, als schließe sie eine gesellschaftliche Akzeptanz von Abtreibung und Homosexualität ein.“ Von der chinesischen Delegation hörte man nichts. Nach Berichten der Delegierten legte China bei keinem der heiklen Themen (Menschenrechte, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung) ein Veto ein. Allerdings erschienen in der chinesischen Presse Artikel darüber, daß China seine Geburtenkontrollpolitik weiterführen werde.

Was bereits bei der Wiener Menschenrechtskonferenz 1993 in den Vordergrund gerückt war, stand diesesmal erneut im Mittelpunkt des Konsenses: Die Regierungen mußten zugeben, daß die Gewalt gegen Frauen weltweit zunimmt und daß es keine Rückkehr zum Verschweigen gibt. Bei keiner der drei vorherigen Frauenkonferenzen war die Notwendigkeit des besonderen Schutzes für Mädchen – in der Konferenzsprache „Girlchild“ – so betont worden. Einer Reihe von Staaten und Delegierten ging die Hervorhebung der Rechte von Mädchen deutlich zu weit. Besonders VertreterInnen aus dem Süden wollten hier einen Gegensatz zu den Rechten der Eltern erkennen. Der Westen versuche, die Familien zu zerstören, erklärte eine Delegierte aus Bangladesh.

Beim Geld zeigten sich die westlichen Regierungen, die EU und die NordamerikanerInnen, die sich sonst auf der liberalen Seite gefunden haben, wieder zugeknöpft. Zwar gibt es einen Passus, in dem auch von zusätzlichen Ressourcen für die Frauenprogramme die Rede ist. Grundsätzlich aber soll umverteilt werden.

„Dies soll eine Konferenz der Taten und nicht schöner Reden werden!“ war die Forderung am Anfang der Konferenz, die die UNO 2,5 Millionen Dollar und China noch einmal mehrere hundert Millionen Dollar gekostet hat. Doch nichts von dem, was jetzt beschlossen wurde, ist verpflichtend. Praktisch wirksam wird nur, was starke Frauenorganisationen in den jeweiligen Staaten einfordern.

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