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Übliche Feierlichkeiten

■ Schanzenfest: Wohnung besetzt und Ex-Pudels-Club in Kampstraße wiedereröffnet

Samstag vormittag, Schanzenviertel: Unermüdliche Stadtplaner streifen stundenlang durch St. Pauli, um die wohnprojektpolitischen Erfolge des alternativen Sanierungsträgers Stattbau vor Ort zu bestaunen. Hat die Besetzerszene sich nach zehn Jahren Vermittlungstätigkeit ein wenig zur Ruhe gesetzt? Denkste. Samstag nachmittag, Kampstraße: Pünktlich zum Schanzenfest werden Fenster und Türen der leerstehenden Kneipe geöffnet, Holzbänke und Tische mit Bier und Saft davor aufgebaut. Die Wohngruppe Kampstraße erklärt den früheren Pudels-Club zum „autonomen Café“. Zeitgleich werden die seit fünf Jahren leerstehenden, ehemaligen Laue-Wohnungen in der Kampstraße 5 und 6 ganz unspektakulär besetzt: „Für den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum.“

Anders als in der Nacht zum 2. Mai, als die Häuser-Besetzung in einem Chaos aus Barrikaden, Tränengas, Polizeieinsatz, Bankdemolierung und Räumung endete, verlief am Wochenende alles friedlich und – einschließlich hübsch bedruckter Flugblätter – durchorganisiert.

So lange der Hauseigentümer einverstanden sei, werde man nichts gegen das „vorübergehende Info-Café“ unternehmen, erklärte gestern ein Polizei-Sprecher. „Wir wollen nicht provozieren.“ Schließlich war ja auch Schanzenfest. Und da macht sich so ein Einsatz nicht so gut: 2000 BesucherInnen (zählte die Polizei), die sich alle kennen und seit Jahren von überall herkommen – sogar Gäste aus Bochum wurden gesichtet –, gut gelaunt im trauten Kreis sich und das ultimative Szenefest mit Flohmarkt, Musik und Bier genießen. Und – auch die Schanze hat ihre Rituale – ein bißchen gegen staatliche Repression, Atomkraft und die sonstigen Schlechtigkeiten dieser Welt Unterschriften sammeln. Weil die Wohnungen abends freiwillig wieder verlassen wurden, „gibt es zur Zeit keinen Bedarf, einzuschreiten“, so die Polizei. Ob sich daran zu Wochenanfang etwas ändern würde, bleibe abzuwarten. Wie taktisch. hh

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