: 336 Anklagen wegen DDR-Unrecht
■ In Berlin laufen noch Hunderte von Ermittlungsverfahren
Bei der Verfolgung der DDR- Regierungskriminalität haben die Staatsanwaltschaften in den neuen Ländern und Berlin bislang 336 Anklagen erhoben. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage von dpa. Rund 170 Urteile sind bereits verkündet worden, wobei Haftstrafen zur Bewährung überwiegen. Die höchste Strafe ist mit zehn Jahren Haft vom Bundesgerichtshof gegen einen DDR-Grenzsoldaten wegen Mordes verhängt worden. Er hatte einen Flüchtling erschossen, der sich schon ergeben hatte.
Die meisten Anklagen betreffen die Ahndung von Justizunrecht. In 118 Verfahren werden DDR-Richter und -Staatsanwälte beschuldigt. In 21 Fällen liegen bereits Urteile vor, die ebenfalls zumeist auf Freiheitsstrafen auf Bewährung lauten. Die Höchststrafe lautet auf fünf Jahre Freiheitsentzug. Tausende von Verfahren sind hier noch offen. Die Staatsanwaltschaften beklagen, daß die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der Rechtsbeugung lange Zeit nicht genügend präzisiert war. Seit 1990 sind wenigstens 25.000 Verfahren gegen Richter und Staatsanwälte eingeleitet worden.
Vor allem in Berlin laufen daneben Hunderte von Ermittlungsverfahren wegen der Tötung von Flüchtlingen an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze. Die Staatsanwaltschaft II hat hier bereits 59 Anklagen erhoben – gegen DDR-Grenzsoldaten, aber auch gegen hohe Militärs wie DDR-Generäle der Grenztruppen. Die bedeutendste Anklage richtet sich gegen die Mitglieder des SED-Politbüros, darunter auch Honecker-Nachfolger Egon Krenz. Entsprechende Anklagen sind auch in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen erhoben worden.
In Teilbereichen stehen die Ermittlungen erst am Anfang. So wird jetzt in Brandenburg intensiv wegen der Mißhandlungen im DDR-Strafvollzug ermittelt. Hier sind 285 Verfahren eingeleitet worden. Das Landeskriminalamt, so die Brandenburger Justizverwaltung, sei damit beauftragt worden, 92 ungeklärte Todesfälle in den Gefängnissen der früheren DDR aufzuklären. dpa
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