: Straßenumbenennung heimlich durchgezockt
■ Herwig Haase hat im Amtsblatt neue Straßennamen angekündigt. Die Widerspruchsfrist ist unbemerkt verstrichen
Im Kulturkampf zur Straßenumbenennung setzt Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) nun auf die Tarnkappenmethode. Heimlich, still und leise plazierte Haase im Sommerloch einen Umbenennungscoup, der schwer zu stoppen sein könnte. Im Amtsblatt vom 28. Juli 1995 ließ der Verkehrssenator den Termin für die Umtaufe von vier Ostberliner Straßen „verkünden“. Die Umbenennungen – darunter die Clara-Zetkin-Straße in Dorotheenstraße, die Dimitroffstraße in Danziger Straße (!!) und die Hans-Beimler-Straße in Otto- Braun-Straße –, so Haase, „werden zum 1. November wirksam“. Diese Aktion „gilt ab dem 1. August als bekanntgegeben“, schreibt das Amtsblatt.
Die vierwöchige Einspruchsfrist gegen die neuen Ostberliner Straßennamen ist somit bereits verstrichen. Ebenfalls geändert werden soll zum 1. November der obere Abschnitt der Kreuzberger Lindenstraße. Diese Teilstrecke zwischen Kochstraße und Spittelmarkt soll dann Axel-Springer- Straße heißen. Als Termin der amtlichen Bekanntgabe gilt hier der 9. September, Widerspruch ist also noch möglich.
Verärgert über die lautlose Amtshandlung sowie die antikommunistische Attacke von Haase zeigte sich Jürgen Karwelat von der Geschichtswerkstatt. Die umstrittene Maßnahme habe „Haase heimlich durchgezockt“. Es sei politisch schlechter Stil, per Verkündigung auf umstrittene Straßenumbenennungen zu reagieren. Die Anwohner seinen „nicht konkret“ über die Termine informiert worden. Auf die Anweisungen von Haase hätten keine Bürgerversammlungen folgen können.
Protestiert gegen die Umbenennung der Clara-Zetkin-Straße haben bisher nur die Jusos (Mitte), die sich auf einer kleinen Demonstration zum Wochenende beklagten, daß der Bezirk übergangen wurde. Der Verkehrsexperte Michael Cramer (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte Haases Vorgehen. Er warf gleichzeitig der SPD- Spitzenkandidatin Stahmer vor, daß sie bei den Haase-Plänen gegen eine „Frauenrechtlerin“ nicht auf Konfliktkurs gehe. Von der Verkehrsverwaltung sowie der SPD-Spitze war gestern keine Stellungnahme zu erhalten.
Daß bei verordneten Straßenumbenennungen nicht immer das letzte Wort gesprochen ist, läßt sich an der Bersarinplatz-Schlappe für Haase ablesen. Im Mai wurde, auf großen öffentlichen Druck und auf Intervention Eberhard Diepgens hin, der geplante Name „Baltenplatz“ gestoppt. Die „Kommission zur Umbenennung von Straßen“ soll erneut darüber beraten.
Zum Fallstrick für die Haase- Aktion kann der Termin 1. November werden. Gibt es doch eine Vereinbarung zwischen CDU und SPD, in dieser Legislaturperiode keine Straßen mehr umzubenennen. So wird zwar am 22. Oktober gewählt, die Neukonstituierung des Parlaments könnte sich aber durchaus bis über den 1. November hinausziehen. Rolf Lautenschläger
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