: Unterm Strich
Ein Kreis um den Berliner Literaturwissenschaftler Richard Herzinger hat ein Manifest verfaßt, das eine „grundlegende Neuorientierung der westlichen Politik im ehemaligen Jugoslawien“ fordert. Darin heißt es unter anderem: „Die westlichen Staaten und die UNO haben sich an den auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien verübten Verbrechen wider die Menschlichkeit mitschuldig gemacht. Nahezu tatenlos haben sie jahrelang zugesehen, wie jegliches Gesetz des Völkerrechts mit Füßen getreten und jede noch so begrenzte Übereinkunft zum Schutz der Zivilbevölkerung nach Belieben gebrochen wurden. (...) Mitschuldig haben sich, zumindest indirekt, allerdings auch jene Intellektuellen gemacht, die ihre theoretische und moralische Reputation in die Waagschale geworfen haben, um die politische Ignoranz und Untätigkeit gegen Bosnien zu legitimieren. Vor allem in Deutschland hat ein gnadenloser Pazifismus die ethnische Vernichtung in der Hoffnung in Kauf genommen, von jeglicher Verstrickung in den Balkankrieg verschont zu bleiben. Aber auch eine Theorie, die die universale Gültigkeit der Menschenrechte bestreitet und als eurozentristisches Vorurteil verhöhnt, hat ihren Anteil daran, daß sich der Westen politisch wie moralisch entwaffnet: Zuerst hat dieser Kulturrelativismus die Sprachregelung der ethnischen Säuberer akzeptiert (...). Von dieser Akzeptanz war es dann nur noch ein kleiner Schritt, auch die ethnische Selektionspolitik hinzunehmen.“ Das Manifest fordert glaubhafte Sicherheitsgarantien für Bosnien-Herzegowina, die Räumung der serbisch besetzten Gebiete, die Möglichkeit der Rückkehr aller vertriebenen Bevölkerungsgruppen und Zusicherung verbindlicher Rechte für nationale Minderheiten durch Serbien und Kroatien. Um das zu ermöglichen und zu garantieren, reichten die gegenwärtigen Luftangriffe bei weitem nicht aus. „Die Nato muß sowohl in der Luft als auch auf dem Boden in massiver Weise präsent sein.“ Unterschrieben haben inzwischen unter anderem die Schriftsteller Wolf Biermann und Jürgen Fuchs, der Philosoph André Glucksmann, der Historiker François Fejtö und der Filmemacher Marcel Ophuls.
Heute beginnt im Berliner Haus der Kulturen der Welt ein internationales Symposium zum Thema „Wildnis“. Bis einschließlich Mittwoch diskutieren VertreterInnen aus Kulturanthropologie, Soziologie, Ökologie, Philosophie und Forstwirtschaft über die Rolle der Wildnis als ökologische und kulturelle Ressource. Wildnis steht dabei für eine inneres oder äußeres Territorium, das in vielen Kulturen als unbewohnbar, unkontrollierbar, gefährlich oder verboten wahrgenommen wird. Welche Ausformungen hat der Mythos vom Aufenthalt in der Wildnis in Europa und Asien erfahren? Wie hat sich die Wildnis selbst – etwa durch Rodung –, wie die Wahrnehmung der Wildnis verändert? Anmeldung unter Tel.: 030-397 87 163.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen