Macht die Motoren mager!

Technischer Leckerbissen: Das Greenpeace-Auto ist schon morgen einsatzbereit  ■ Von Rudolf Petersen

Zur Arbeit mit der Bahn, zum Einkauf radeln und per pedes zum Kindergarten. Trotzdem kann das Auto in Zukunft sinnvoll sein. Wenn es folgende Eigenschaften hat: sparsam und leise, emissionsarm und langsam, klein und recyclingfähig. Zugegeben: Das Öko- Auto gibt es nicht, alle Kraftfahrzeuge schädigen die Umwelt.

Aber schon die Umstellung von den heutigen Benzinsäufern auf das 3-, 2- oder gar 1,5-Liter-Auto wäre eine immense Entlastung. Das würde den Raubbau an den fossilen Energievorräten und die Klimarisiken entscheidend mildern. Der große Benzindurst der heutigen PKWs liegt vor allem an den zu großen Motoren und zu schweren Karosserien. Ein typischer Vertreter der Golf-Klasse hat 1,8 Liter Hubraum, 66 Kilowatt (90 PS) Leistung und wiegt leer 1.100 Kilogramm. Meistens benutzt nur eine Person ein derartiges Gefährt. 1.100 Kilogramm werden in Bewegung gesetzt, um 60 bis 90 Kilo zu transportieren. Dafür würde jedoch schon ein Auto mit 550 Kilo Gewicht reichen – eine immense Energieersparnis ist auf einen Schlag erreichbar.

Und auch die Motoren könnten kleiner sein. So benötigen die schweren Wagen der Golf-Klasse im Verkehr selten mehr als 20 Kilowatt (27 PS). Bei abgesenktem Gewicht und mit widerstandsarmen Reifen – vor allem: keine Breitreifen – läßt sich die Motorleistung noch weiter drücken.

Ein technisches Argument für kleinere Aggregate: Motoren erreichen erst in Vollastnähe ihren günstigsten spezifischen, also auf die Leistung bezogenen Kraftstoffverbrauch. Dort werden heute Bestwerte von ungefähr 250 Gramm Sprit pro Kilowattstunde erreicht. Doch in den meisten Verkehrssituationen genügt schon ein Bruchteil der Maximalleistung: Die großen Motoren laufen also überwiegend im unteren Bereich der Auslastung. Dort ist der spezifische Kraftstoffverbrauch aber sehr ungünstig. Typisch sind 500 Gramm Benzinverbrauch je Kilowattstunde – im Verhältnis zur geleisteten Arbeit schluckt der Motor doppelt soviel.

Also was tun, wenn in der Regel nur wenig Leistung benötigt wird? Ganz einfach: Man reduziert den Hubraum auf die Hälfte oder ein Drittel des Üblichen und fährt somit im Normalbetrieb im sparsamen Bereich, denn der kleine Motor wird höher ausgelastet. Manchen wird dann allerdings stören, daß „die Karre nicht richtig abgeht“. Um dies zu erreichen, werden Motoren zu groß gebaut und im Normalbetrieb sinnlos Kraftstoff vergeudet.

Ein lahmes Sparauto? Da schüttelt es jede Verkaufsabteilung und auch die Greenpeace-Strategen. Deshalb wird ihr 3-Liter-Auto die gleichen übertriebenen Erwartungen an Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit erfüllen wie der Renault Twingo, der als Basis diente. Auch die grüne Kiste ist übermotorisiert.

Sei's drum. Der Antriebsmotor des Greenpeace-Gringo ist ein technischer Leckerbissen und Kernstück eines überzeugenden 3-Liter-Wagens. Dagegen sind die Sparkonzepte der großen Autohersteller bislang wirtschaftlich nicht umzusetzen. Zum Beispiel plant man technisch komplizierte, zu teure Spezialkunststoffe ein.

Die von Greenpeace gefundene Lösung ist nicht neu: Ein kleiner, in seinen Leistungsdaten für viele Betriebsfälle ausreichend dimensionierter Motor wird durch die Erhöhung des Luftdrucks im Zylinder in die Lage versetzt, auch höhere Drehmomente und Leistungen abzugeben.

Der Motorenentwickler für Greenpeace glaubt, mit dem Comprex-Lader das optimale Verfahren gefunden zu haben. Dabei wird die Druckwelle der Abgase genutzt, um Luft in den Zylinder zu pressen. Gute Verdichtung auch bei niedrigen Drehzahlen und eine gute Regelbarkeit werden als Vorteile genannt.

In der Erprobung werden sicher noch viele Probleme auftauchen. Eine häufig gestellte Frage ist, ob der Motor eine hohe Lebensdauer erreicht. Zunächst spricht nichts dagegen. Falls doch: Warum sollte nicht nach der halben Fahrzeug- Lebensdauer ein Austauschmotor eingebaut werden? Ökologisch und ökonomisch könnte das Sinn machen.

Beeindruckend ist die Konsequenz, mit welcher der 1,35-Liter- Hubraum des Twingo auf den 0,36-Liter-Motor im Greenpeace- Konzept reduziert wird. Die Halbierung des Kraftstoffverbrauchs ist überzeugend begründet.

Währenddessen hat die deutsche Autoindustrie das 3-Liter- Auto erst für die Zeit nach dem Jahr 2000 zugesagt. Selbst dieses Versprechen ist ökologisch aber nichts wert. Denn die Marktstrategien der Industrie zielen nur auf den Markt der Zweit- und Drittwagen. Der kurze Stadtflitzer mit zwei Sitzen soll neue Käuferschichten erschließen und die Strategie „Das passende Auto für die passende Gelegenheit“ fortsetzen: der Kombi für den Urlaub, der Sportwagen für das Sommerwochenende, der Van für die Freizeit, das Smart-Auto für die Stadt.

Ökologisch sinnvoll ist das 3-Liter-Auto jedoch nur dann, wenn es ein anderes ersetzt und nicht etwa die Flotte weiter aufbläht. 3 Liter für ein Auto der Corsa-Klasse, 4 Liter für einen Passat und, wenn es denn sein muß, 5 Liter für ein S-Klasse-Vehikel – das sind realistische Zielvorstellungen für die Zeit bis 2000. Würde die Politik heute die entsprechenden Rahmenbedigungen setzen, also Verbrauchsvorschriften, Kraftfahrzeugsteuer, Mineralölsteuer und Tempolimit als Elemente eines integrierten ökologischen Konzepts vorgeben, dann könnten diese Wagen in wenigen Jahren auf den Markt kommen.

Rudolf Petersen ist Leiter der Abteilung Verkehr im Wuppertal- Institut für Klima, Umwelt, Energie. Sein neues Buch, gemeinsam verfaßt mit dem Kollegen Karl Otto Schallaböck, erscheint im Oktober: „Mobilität für morgen – Chancen einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik“. Birkhäuser Verlag, 49,80 DM.