piwik no script img

Wo der Hexer schrammelt

■ Der smarte Sound von Edgar Wallace, Nullnullsieben und Plumpudding: Die Bremer Kombo „Agentenmusik“ huldigt dem Beatgehabe besserer Tage/ Morgen im „Tower“

Wenn das Bremer Quartett „Agentenmusik“ irgendwo musiziert, meinen stets etliche BesucherInnen, dem letzten Auftritt vor der Auflösung beizuwohnen. Das haben die Musiker sich selbst zuzuschreiben. Ursprünglich wollten sie das damals lockere Projekt nach ihrem ersten Konzert 1993 im „Römer“ auflösen. Davon haben sie zwar abgesehen, aber ebenso versäumt, ihr Infomaterial zu aktualisieren. Also wird nach wie vor jeder Auftritt fälschlicherweise als der letzte angekündigt. Das kümmert sie allerdings wenig: Schließlich hat auch ihr Lieblingsagent Sean Connery oft angedroht, den Bond-Job an den Nagel zu hängen, ohne daß er je ernst gemacht hätte.

Der Grundstein zu „Agentenmusik“ wurde 1991 gelegt, als Organist Anders Becker und Gitarrist/Gelegenheits-Bassist Andreas Wolfinger wie schon so viele Male zuvor einen Abend damit verbrachten, im Fernsehen alte Edgar Wallace-Filme zu schauen. Die abgedrehte Beat-Musik, die diese und ähnliche Filme untermalt, dürfte auch ohne Bilder ihren Reiz haben, dachten sich die beiden und beschlossen, dies mit eigenen Kompositionen zu beweisen. Mit dem Gitarristen Andreas Vick und dem Trommler Martin König waren schnell zwei Kollaborateure gefunden. Das gemeinsame Faible für die Musik, zu der schon Joachim Fuchsberger und Co. gegen Hexer und ähnliche Greuel ermittelten, manifestiert sich in treibenden Baßläufen, halsbrecherischen Gitarren-Breaks und dröhnend übersteuerter Orgel über schepperndem Schlagzeug. Immer geradlinig genug, um nicht in Psychedelic-Gedudel auszuarten, aber offen genug, damit jedem Musiker sein Improvisationsspaß bleibt. Und der wird so oft wie möglich mit Wonne genutzt.

Agentenmusiker können natürlich nicht wie Otto-Normal-Grunge-Kid herumlaufen. Sie tragen auf der Bühne edle Zwirne und passende Krawatten. „Das ist keine Verkleidung,“ beteuern Anders Becker und Andreas Wolfinger hartnäckig. „Wir leben diesen Stil.“ Daß sie zum Interview-Termin im schreienden Vielfarb-Hemd und legeren Krabbenfischer-Pulli ertappt wurden, habe lediglich etwas mit dem Wetter zu tun. Andreas läßt sich auch mit seiner Haupt-Band „Orange Inn“ am liebsten in gepflegtem Outfit fotografieren. Wert legt die Kombo bei ihren Konzerten auch aufs Ambiente. Im „Römer“ traten sie mit Dia-Show auf, im „Kino 46“ boten sie die musikalische Einstimmung für eine Reihe mit „Velvet Underground“-Filmen („für Geld“, wie sie betonen). Im Café Kunst hatten die Musiker zunächst Bedenken wegen der Jazz-Reputation der Lokalität; trotzdem absolvierten sie im vergangenen Juni einen umjubelten Gig.

Live erklingt die „Agentenmusik“ in zwei Sets, wobei sich Andreas Wolfinger und Andreas Vick nach der ersten Hälfte am Baß abwechseln. Ein ständiger Bassist konnte nicht gefunden werden, und die beiden Andreasse spielen halt lieber Gitarre. Auf Gesang wird weitestgehend verzichtet, wenn man von vereinzelten „Uhuhu“-Chören absieht. Das ist bei klangvollen Titel wie „In den Händen des Hetzers“ oder „Hank Ryan im Garten des Yogi“ (Fortsetzung: „Hank Ryan im Foltergarten des Dr. Quwist“) natürlich schade. Aber um ordentlichen Gesang auf die Reihe zu bekommen, fehle es an Übungszeit und technischen Mitteln.

Morgen lassen sich „Agentenmusik“ zum letzten Mal in diesem Jahr im „Tower“ auf einer Bremer Bühne sehen und hören. Danach ziehen sie sich erstmal zurück, um Plumpudding zu essen, was Agenten laut Becker und Wolfinger einmal im Jahr machen müssen. „Das ist eine schwarze feste Masse in einem Tontopf, und wenn man das warmmacht, ist es immer noch eine feste schwarze Masse, aber das kann man dann essen.“ Das Verzehren dieser festen schwarzen Masse mit Vanille-Soße, Portwein und Yogi-Tee ist den vier Musikern ebenso heilig wie Musizieren, Edgar Wallace und James Bond.

Andreas Neuenkirchen

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen