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Uhus auf der Schippe

Sachsens Naturschutzverbände beantragten Baustopp für Autobahn A 4. Biotope gefährdet. Grundstücksspekulation an nicht genehmigter Trasse  ■ Von Detlef Krell

Dresden (taz) – Schommer greift zum Spaten, der Staatsanwalt zu den Akten. Als der sächsische Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) vor sieben Wochen zum symbolischen Spatenstich für den Neubau der Bundesautobahn A4 ansetzte, lag beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin bereits ein Antrag auf Baustopp vor. Naturschutzbund (Nabu) und Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) klagen gegen die Autobahntrasse.

Mit einigem Erfolg. Denn obwohl über einen Baustopp noch gar nicht entschieden ist, stehen die Bagger erstmal still. „Wir warten den Ausgang des Verfahrens ab“, heißt es im Dresdner Wirtschaftsministerium. Und das kann dauern. Nabu-Sprecher Bernd Heinitz weiß jetzt schon „von vielen Grundstückseigentümern, die jetzt mit uns klagen wollen“. Die sind wichtig, denn die Umweltverbände können nur im Auftrag von Privatpersonen klagen, eine eigenständige Verbandsklage ist diesmal rechtlich nicht möglich.

Die Ökos kämpfen aber nicht nur vor dem Bundesverwaltungsgericht. Sie haben auch den zuständigen Regierungspräsidenten „wegen des schweren Anfangsverdachts von Verwahrungsbruch und Urkundenunterdrückung“ angezeigt, so ihr Würzburger Anwalt Stephan Voigt. Voigt bezichtigt die Genehmigungsbehörde, dem Gericht Akten vorzuenthalten, vielleicht, um „Genehmigungsfehler“ zu verbergen. Die bisher vorliegenden Schriftstücke zeigten nicht, wie im Genehmigungsverfahren mit kritischen Stellungnahmen von Fachämtern umgegangen worden sei. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat inzwischen ein Vorermittlungsverfahren eröffnet.

Autobahn endet auf der Wiese

Stein des Anstoßes ist die Trasse durch das Landschaftsschutzgebiet Königshainer Berge. Derzeit verendet die A44/A4, von Kassel über Eisenach und Dresden kommend, auf der Wiese. Auf halbem Weg zwischen Bautzen und der Grenzstadt Görlitz ist Schluß. Die Weiterführung bis zur polnischen Grenze ist eines der von der Regierung besonders geförderten „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“. 1998 soll die A4 zwischen Dresden und Görlitz durchgängig befahrbar sein. Nabu und BUND beklagen gar nicht das Projekt Autobahn, sondern die gewählte Trasse. Die von der sächsischen CDU- Mehrheit beschlossene, sogenannte „Nordtrasse“ unterquert nämlich das Landschaftsschutzgebiet Königshainer Berge mit einem 3,5 Kilometer langen Tunnel – die umweltbelastenste Variante. Als Alternativen hätten sich zwei Trassenvarianten südlich des Biotop- Gebirges angeboten, mit geringeren ökologischen Risiken.

Die Umweltschützer sind mit ihrer Kritik nicht allein. Auch das vom Autobahnamt mit einer Umweltverträglichkeitsstudie beauftragte Gutachterbüro hält die Nordtrasse für nicht so geeignet. Das Staatliche Umweltfachamt Bautzen wehrt gleichfalls die Gebirgsdurchquerung ab. Die Begründung für diese Trasse sei „in fachlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar“, warnten die Beamten.

Doch im Genehmigungsverfahren wurden solche kritischen Einwände offenbar unter den Tisch gekehrt. „Auswirkungen der Autobahn auf die mit besonders schutzbedürftigen Tieren und Pflanzen dicht besiedelte Nordtrasse wurden nicht vollständig untersucht“, urteilt Heinitz.

In den Königshainer Bergen leben Uhus und Schwarzstörche, Kraniche und 100 Wirbeltierarten. Das kleine Granitgebirge ist ein beliebtes Wandergebiet. Die von den Umweltverbänden favorisierte Süd-Alternative würde hingegen Bautzen und Görlitz mit ihren weitflächigen Gewerbeansiedlungen verbinden. Doch dort soll nach Regierungsplanung die Bundesstraße 6 zusätzlich durchgängig auf vier Spuren erweitert werden.

Die schlechte Trasse soll also kommen, um zwei Asphaltpisten statt einer zu ermöglichen. Bonn bezahlt schließlich Bundesautobahnen und Bundesstraßen. Allein das jetzt in Bau befindliche Teilstück der Autobahn A 4 soll laut Wirtschaftsministerium 80 Millionen verschlingen, davon 6 Millionen für „landespflegerische Begleitmaßnahmen“. Die gesamte Nordtrasse, mit Tunnel und Brücken, ist mit 498,2 Millionen Mark kalkuliert.

Bei Eisenbahnprojekten ist man im Verkehrsministerium knauseriger. Sachsen bettelt vergebens, der Bund möge doch die Modernisierung der Bahnstrecke Dresden- Görlitz als „vordringlichen Bedarf“ im Bundesverkehrswegeplan einordnen. Und für die sogenannte „Sachsenmagistrale“ von Hof nach Görlitz, auch ein „Deutsche-Einheit-Verkehrsprojekt“, reicht das Geld nur noch bis Dresden.

Aufsehen hat die Klage der Umweltverbände bislang aber nicht vor allem wegen der Kosten, auch nicht wegen der Uhus, sondern vor allem wegen undurchsichtiger Geschäfte der staatlichen Baufirma „Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und Bau GmbH“ (Deges) erregt. Die soll nämlich an der umstrittenen Tunneltrasse mit Grundstücken spekulieren. Die Deges, deren Gesellschaftsanteile zur Hälfte beim Bund und zu je 10 Prozent bei den neuen Ländern liegen, weist die Anwürfe zwar als „widersinnig“ und „verlogen“ zurück. Auch das Landgericht Berlin untersagte den Verbänden über einstweilige Verfügung, den Vorwurf der Grundstücksspekulation „aufrechtzuerhalten beziehungsweise zu wiederholen“.

Rechtsanwalt Voigt aber leitete den Verdacht, daß die Deges mit Steuergeldern 40,36 Hektar mehr, als sie braucht, erwerben will, direkt aus den Zahlen des mit dem Bau aller Deutsche-Einheit-Projekte betrauten Staatsunternehmens ab.

Laut Deges sollen für die Trasse 270,64 Hektar gekauft werden. Für Baustellen und Nebenflächen sind aber, wiederum laut Deges, nur 230,28 Hektar erforderlich. Der Grunderwerb sei „zwingend erforderlich“, belehrte die Firma in einer eilig verfaßten Pressemitteilung kürzlich die Naturschutzverbände. „Rechtlich bindende und gerichtlich nachprüfbare Grundlage hierfür bildet in der Regel der Planfeststellungsbeschluß.“ Aber genau den gibt es für das Autobahnstück bisher nicht.

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