: „Ich bin mir keiner Schuld bewußt“
■ Ex-SPD-Europaparlamentarier wegen Hehlerei vor dem Kadi
Aschaffenburg (taz) – Wie in alten Zeiten muß sich der ehemalige SPD-Europaabgeordnete Dieter Schinzel vorgekommen sein. Fünf Fernsehkameras waren auf ihn gerichtet, die Fotografen standen sich gegenseitig auf den Füßen, die Reporter drängelten sich um ihn mit ihren Mikrofonen – nur die Umgebung paßte nicht so recht. Es waren nicht die Wandelgänge des Europäischen Parlaments, es war nicht der Flughafen eines arabischen Emirates, auf dem der Expräsident der Deutsch- Amerikanischen Gesellschaft sonst zu Hause war, es waren die kahlen Gänge des Aschaffenburger Landgerichts. Dort, vor der Großen Strafkammer, muß sich der Aachener Politprofi mit der einst so steilen Karriere wegen versuchter Hehlerei verantworten. Kein Problem für Schinzel: „Ich bin mir keiner Schuld bewußt.“
Oberstaatsanwältin Annamaria Stadler sah die Sache naturgemäß anders. 21 Seiten umfaßt die Anklageschrift des Falles, der gut und gerne als Filmvorlage für eine Gaunergroteske dienen könnte. Es geht um fünf Millionen falsche Schweizer Franken. Keine geschickt nachgemachten Scheine, sondern plumpe Kopien, weithin erkennbar an einem Werbeaufdruck. Dick in Folien verschweißt und getarnt mit ein paar echten 1.000-Franken-Scheinen an der Oberseite der Bündel sollten sie an den Mann gebracht werden. Um die Sache glaubwürdiger zu machen, erfanden die Verkäufer die Story, das Geld stamme aus einem Banküberfall.
Doch kein Käufer fand sich. Da besann sich die Mitangeklagte Barbara R. ihrer Kontakte zu dem Europaparlamentarier Dieter Schinzel. Der in Millionenhöhe verschuldete 52jährige hatte noch etwas gutzumachen, er schuldete ihr 130.000 Mark.
Die Oberstaatsanwältin wirft Schinzel vor, unter Ausnutzung seines Status als Europaparlamentarier die Rolle des Vermittlers zu potentiellen Käufern übernommen zu haben. Als sich der Käufer dann als verdeckter Ermittler des bayerischen Landeskriminalamtes entpuppte, flog der Deal auf und Schinzel muß sich jetzt dafür verantworten, daß er, so der holprige Anklagesatz, „nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar dazu angesetzt hat, zu helfen, daß eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat erlangt hat, abgesetzt wird, um sich zu bereichern“.
Ein juristisch delikater Fall. Gestohlen wurde nichts und im Gegensatz zu den anderen Beteiligten – vier davon sind bereits in einem ersten Verfahren zu Bewährungsstrafen verurteilt worden – behauptet Schinzel steif und fest, er habe bis zuletzt geglaubt, das Geld stamme aus einer „Erbschaft“. „Mit Geld aus Straftaten wollte ich nie etwas zu tun haben“, behaupteten der eloquente Sozi. Immer wieder habe er nachgefragt, ob etwas mit dem Geld nicht stimme, betonte Dieter Schinzel. Immer wieder hätten seine Gegenüber dies verneint. Auch nachdem er feststellen mußte, daß diese nicht, wie sie vorgaben, „Italiener“ seien, sondern vermutlich Osteuropäer, habe er sich nichts dabei gedacht.
Erst beim Abschluß des Deals habe er gehört, daß es um „registrierte Scheine“ gehe. Ihm sei dann „richtig schlecht geworden“, er habe sich „übergeben“, „wollte dann nichts wie weg“ und sei „zufällig“ den Zivilbeamten der Polizei in die Arme gelaufen.
Ohne die Aussagen von Schinzels Kontaktfrau R. wird sich das Gericht schwertun, die Rolle des Exabgeordneten in der abenteuerlichen Geschichte einzuschätzen. Schließlich muß man ihm nachweisen, daß er tatsächlich davon ausgegangen sei, daß Geld stamme aus einem Überfall. Bernd Siegler
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