: Ein Öko-Kaufhaus für Mannheim
■ HBV will Hertie-Filiale mit Umwelt-Konzept retten
Berlin (taz) –Grelle Plastikpuppen und überflüssige Hängedekos sind out im Öko-Kaufhaus, statt dessen beraten „stumme Verkäufer“ und speziell weitergebildete Kollegen die Kunden in Sachen Umweltschutz. Herrenhemden werden nicht in eingeschweißtem Plastik präsentiert, sondern schön aufgebügelt auf dem Stapel oder am Bügel wie die Damenblusen. Wer mit einem kaputten Kassettenrekorder ankommt, wird nicht gleich an die jüngste Neuerscheinung verwiesen, sondern kann sich mit dem Reparaturservice im Haus beraten. So weit, so schön das Konzept, das Betriebsratschef Kurt Seez und Anton Kobel von der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) Mannheim/Heidelberg der Öffentlichkeit präsentierten.
Nach dem Öko-Konzept würde auf dem Dach der Einkaufsstätte eine Brauchwasseranlage installiert. „Das spart schon mal sieben bis acht Prozent Betriebskosten“, so Kobel. Solarzellen an den Fassaden könnten genug Energie erzeugen, um die Spitzenzeiten im Energieverbrauch mit abzudecken. Vor allem aber sollen sich die Kunden im Kaufhaus „wieder wohlfühlen und das Gefühl haben, daß sie beraten und bedient werden“, sagt Kobel.
Eigentlich soll zum 31. Januar 1996 Schluß sein. Die Geschäftsleitung will das traditionsreiche Haus aufgeben. Betriebsrat und die HBV halten mit dem einmaligen Konzept des Umbaus zum „Öko- Kaufhaus“ dagegen.
Nicht nur Politiker, auch Wissenschaftler unterstützten die Idee, sagt Anton Kobel. Peter Hennicke vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie gab dem Kaufhaus gestern auf einer Pressekonferenz „eine reale Chance“. Darüber würden sich auch die 300 Beschäftigten freuen, denen die Entlassung droht. Aber die Geschäftsleitung interessiert sich nur für die Frage: Wer soll das bezahlen? Der Hertie-Vorstand beharre nach wie vor auf der Schließung, so Kobel. Zum einen verweist der Vorstand auf eine im nächsten Jahr rasant steigende Miete. Zum zweiten sei der Investitionsbedarf für das alte Gebäude zu groß.
Am 6. Oktober entscheiden die Vermieter darüber, wer im nächsten Jahr in das Gebäude einzieht. Findet sich ein neuer Investor, „dann wären die Arbeitsplätze vielleicht gesichert“, hofft Kobel. Den Öko-Umbau könnte man aus Fördertöpfen des Landes und der Stadt mitfinanzieren. Politiker der Grünen und der SPD haben Unterstützung zugesagt. „Die öffentliche Solidarität ist enorm“, freut sich Kobel. Barbara Dribbusch
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