: Das große Los ist ein Bett im Lazarett
■ Im „Zentrum für Verwundete“ werden bosnische Kriegsopfer behandelt
Männer auf Krücken, Männer in Rollstühlen, verbunden, in Gips. Blinde, Gelähmte. Einige verletzte Frauen, ein, zwei Kinder. Im „Zentrum für Verwundete“ in München leben Bosnier und Bosnierinnen, die im ehemaligen Jugoslawien nicht behandelt werden können. Hauptsächlich Kriegsverwundete, aber auch andere Schwerstkranke. Das Hospital existiert seit April letzten Jahres und wurde auf Initiative von Salih Satara gegründet, einem Mitarbeiter des bosnischen Generalkonsulats in der bayerischen Hauptstadt. Das Haus fungiert als eine Art Transitheim: es nimmt die Patienten auf, vermittelt ihnen einen Krankenhausplatz in der Bundesrepublik und betreut sie vor und nach der Behandlung.
Eine fünfköpfige Ärztekommission in Bosnien bestimmt, wer in die Bundesrepublik reisen darf. Darüber entschieden werde nach rein medizinischen Gesichtspunkten, betont Salih Satara. Voraussetzung sei, daß der Kranke in Bosnien nicht geheilt werden könne.
Eduard Höcherl, Arzt an der Chirurgischen Universitätsklinik in München, bestätigt: „Die bosnischen Patienten, die zu uns kommen, sind ernsthaft krank. Und es ist auch niemand dabei, den man schnell zusammenflicken könnte, um ihn wieder in den Krieg zu schicken. Die meisten sind nicht in der Lage, wieder zu kämpfen.“
Mindestens 4.000 Menschen mit schwersten Verwundungen und lebensbedrohenden Krankheiten warten in Bosnien auf einen Therapieplatz im Ausland. 600 wurden seit der Eröffnung des „Zentrums für Verwundete“ in Deutschland behandelt. „Ob man hierherkommen kann oder nicht“, erklärt Salih Satara, „ist wie Lotterie spielen. Ich bräuchte jetzt sofort 100 Plätze, habe sie aber nicht.“ Dem Zentrum stehen 150.000 Mark pro Monat von der bosnischen Regierung zur Verfügung. Das klingt nach viel Geld; doch schon ein normales Krankenhausbett kostet zwischen 400 und 600 Mark pro Tag, eines in der Intensivmedizin sogar 1.100 Mark. Das Zentrum ist auf Spenden und Gratisplätze in Kliniken und Krankenhäusern angewiesen, von der Bundesregierung erhält es keinen Pfennig.
Um in die BRD einreisen zu dürfen, brauchen die Kranken ein Visum. Das bekommen sie nach Absprache mit dem Zentrum von der Deutschen Botschaft in Zagreb – in der Regel auf drei Monate befristet und nur gültig zur Krankenbehandlung. Das Zentrum muß sich verpflichten, alle Kosten zu übernehmen und den Patienten danach wieder ins Kriegsgebiet zurückzuschicken. Mit diesen Auflagen wollen die deutschen Behörden verhindern, daß die Bosnierinnen und Bosnier im Lande bleiben. Denn wenn diese als Kriegsflüchtlinge Asyl beantragen würden, müßte die BRD sie laut Grundgesetz aufnehmen.
„Ich kann niemanden daran hindern, einen Asylantrag zu stellen“, sagt Satara, „aber ich erkläre meinen Landsleuten offen: Wenn du das machst, werden wir sehr bald keine Visa mehr bekommen und das Zentrum kann zumachen.“ bam
Das „Zentrum für Verwundete“ ist auf Spendenplätze in Krankenhäusern angewiesen. Gesucht werden Kliniken in der ganzen Bundesrepublik, die Knochen-, Gewebe- und Kopfverletzungen behandeln und auf Kopfplastiken und Prothesen spezialisiert sind.
Kontakt: Zentrum für Verwundete, Salih Satara, Tel.: 089/3542410, Fax: 089/3510406
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