Nato light für Polen, Tschechien und Ungarn

■ Osterweiterung-Studie nimmt Rücksicht auf Moskau und läßt alle Fragen offen

Brüssel (taz) – Die seit Monaten angekündigte interne Nato-Studie über die Osterweiterung, die gestern vom Nato-Rat diskutiert wurde, zeigt ein deutliches Bemühen um Belanglosigkeit. Die Studie nennt weder Länder, die in Frage kommen, noch Anhaltspunkte für einen Zeitplan und hält sich bei technischen Fragen auf. Die Berichterstatter waren offensichtlich bestrebt, die Erwartungen in Osteuropa zu dämpfen und Rußland zu beruhigen.

Das Papier war im Dezember letzten Jahres von den Außenministern der 16 Nato-Staaten in Auftrag gegeben worden, weil Bonn und Washington auf konkrete Schritte in Richtung Erweiterung drängten, die meisten anderen Nato-Partner aber jede Festlegung für voreilig hielten. An dieser Stimmung hat sich seither nicht viel geändert, und diesen Geist atmet auch die Studie, soweit man das nach den Berichten von Diplomaten beurteilen kann. Sie soll nicht veröffentlicht, aber in den nächsten Tagen an rund 60 Regierungen verschickt werden, darunter auch die russische.

Vor allem in Ungarn, Tschechien und Polen, wo die Erwartungen am größten sind, wird der Bericht Enttäuschung auslösen. Er soll den Vorschlag enthalten, beitrittswillige Staaten nicht in jedem Fall von Beginn an in die militärische Struktur der Nato einzubinden. Das würde bedeuten, daß sie erst einmal einen Status wie Frankreich bekämen, das nur in den politischen Nato-Gremien vertreten ist. Außerdem soll die Aufnahme an Bedingungen wie demokratische Reformen und die Einhaltung von Minderheitenrechten geknüpft werden.

Die Schwierigkeiten der Nato, ihre Struktur als Verteidigungsgemeinschaft zu bewahren, ohne klar sagen zu wollen, gegen welche Bedrohung man sich rüstet, spiegelt sich offenbar auch in der Studie wider. Um Rußland zu beruhigen, entwickelt sie eine Art Light-Mitgliedschaft für die osteuropäischen Länder: Es sollen keine Nuklearwaffen und keine westlichen Nato- Truppen auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Paktes stationiert werden. Das wäre für Moskau niemals annehmbar, so ein Diplomat. Allerdings wird der Aufbau einer Logistik vorgezeichnet, der im Ernstfall ein rasches Vorrücken von Nato-Truppen ermöglicht.

Die russische Regierung wehrt sich seit Jahren erbittert gegen jede Ausdehnung der Nato nach Osten. Moskau fürchtet, durch eine größere und näher an das eigene Territorium heranrückende Nato aus Europa gedrängt zu werden und an Einfluß auf die Europäische Sicherheitspolitik zu verlieren. Die Nato-Luftangriffe auf die bosnischen Serben wurden vom Kreml als Hinweis gewertet, daß die Nato die russischen Interessen nicht mehr ernst nimmt.

Um so stärker scheint sich die Nato nun zu bemühen, Rußland in anderen Bereichen entgegenzukommen. Inzwischen scheint man bereit, über die von Moskau geforderte Lockerung des Abrüstungsvertrages für konventionelle Waffen (KSE) zu reden. Moskau will mehr schwere Waffen im Kaukasus stationieren als vorgesehen. Im Gegenzug soll Rußland seine Haltung gegen die Osterweiterung noch einmal überdenken. Alois Berger