: Grüne Ministerin macht blau
■ Hessens Vorzeigeministerin Iris Blaul trat gestern wegen Querelen mit ihrem Staatssekretär zurück. Frankfurts ehemalige Gesundheitsdezernentin Margarethe Nimsch wird voraussichtlich ihre Nachfolgerin
Wiesbaden (AP/taz) – So ehrenwert die hessische Umweltministerin Iris Blaul ihren Rücktritt begründete, so paradox mutet er an. Weil ihr Staatssekretär nicht zurücktreten wollte, tritt sie nun selbst zurück. Sie begründete ihren überraschenden Schritt gestern in Wiesbaden damit, daß die Berufung des Marburger Grünen- Politikers Johannes Schädler zum Staatssekretär zu einer schweren Beeinträchtigung der Arbeit des Ministeriums geführt habe. Es sei eine schwerwiegende personelle Fehlentscheidung gewesen. Seine Entlassung würde allerdings durch die Fortzahlung von Bezügen den Landeshaushalt belasten. Schädler bleibt vorerst in seinem Amt.
Allerdings belastet Blaul, die als Ministerin auch für die Ressorts Jugend, Gesundheit, Familie und Energie zuständig war, nach ihrem Rücktritt ebenfalls den Haushalt. 24 Monate lang erhält ein Minister in Hessen nach seiner Demission ein Übergangsgeld, die CDU-Opposition rechnet mit 250.000 Mark. Geht Blaul in Rente, dann kommen noch Versorgungsleistungen hinzu, die sich, laut Opposition auf 2,7 Millionen Mark belaufen dürften. Allerdings sind Staatssekretäre noch etwas besser gestellt. Schädler würde bei einer Entlassung fünf Jahre lang 75 Prozent seines Staatssekretärsgehalts kassieren – insgesamt 700.000 Mark. Hinzu kämen Pensionen von etwa 3,3 Millionen Mark.
Daß die Kosten des Staatssekretärs der wesentliche Grund für Blauls Rücktritt sind, kann folglich bezweifelt werden. Der Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im Bundestag, Joschka Fischer, meinte denn auch gestern, das Personalproblem sei „seit längerem absehbar“, der Rücktritt daher „unnötig“ gewesen. Daß er doch erfolgte, steht in Zusammenhang mit einer weiteren seit Monaten ungelösten Personalfrage im Umweltministerium. Der Leiter der Zentralabteilung des Umweltministeriums ist der Lebensgefährte Blauls, Wenzel Mayer. Diese Konstellation war von der Opposition nach der Übernahme des Umweltressorts durch Blaul im April heftig kritisiert worden. Auch Ministerpräsident Hans Eichel und die Grünen- Fraktion sollen Blaul aufgefordert haben, für die Situation eine Lösung zu finden. Doch Blaul habe sich nicht zu einer Versetzung oder Beurlaubung Mayers entschließen können. Ganz abgesehen davon, daß letzteres ebenfalls den Landeshaushalt belastet hätte.
Mit dem Personalproblem Schädler wird sich nun Margarethe Nimsch beschäftigen müssen. Die ehemalige Frankfurter Gesundheitsdezernentin wurde gestern von der Grünen-Fraktion im Wiesbadener Landtag als Nachfolgerin nominiert. Wie der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Fritz Hertle, erklärte, hat sich Nimsch gestern der Landtagsfraktion vorgestellt. Der Vorschlag, das Amt Blauls zu übernehmen, sei von ihr akzeptiert worden. Über die Ernennung der ehemaligen Frankfurter Stadträtin muß nun noch Ministerpräsident Hans Eichel entscheiden. An der im März gescheiterten Wiederwahl Nimschs war das rot-grüne Bündnis im Frankfurter Römer zerbrochen. Das Ende der Koalition führte letztlich zur Abwahl von SPD-Oberbürgermeister Andreas von Schoeler.
Ministerpräsident Eichel erklärte, er erwarte eine Neubesetzung des Ministeriums in der Form, daß kein neuer Staatssekretär berufen werden müsse, sondern die Verwaltung des Ministeriums in Zukunft durch einen einzigen Staatssekretär erfolge. Da Schädler, wie Blaul erläuterte, nicht in der Lage sei, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, wird womöglich Nimsch jetzt die Entlassung vornehmen – die Zahlung seiner Versorgungsbezüge bleibt der Landeskasse wohl doch nicht erspart. dr Seite 3
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen