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„Umbau! Flexibilität! Selbstbehalte!“

■ Deutsche Wirtschaftslenker im taz-Gespräch über Sozialabbau und Krankfeiern

taz: Werte Herren, der Abbau des Sozialstaates...

Murmann: Umbau! Umbau!

Stihl: Der Leidensdruck muß größer werden.

Der Sozialstaat...

Murmann: Der Sozialstaat muß umgebaut werden. Anspruchsdenken hat sich immer mehr verbreitet.

Blüm: Ja. Das alte Wohlstandsfest ist vorbei.

Rexrodt: Es geht um einen sozialpolitischen Befreiungsschlag!

Schön formuliert, Herr Rexrodt. Ihr Wortschatz ist ja richtig kriegerisch.

Rexrodt: Danke. Die Leichtlohngruppen müssen eine Renaissance in den Betrieben erleben.

Murmann: Die Niedriglohngruppen sind völlig verwaist. Wir müssen die Niedriglohngruppen wieder aktivieren!

Prima. Sie müssen's ja wissen, wie man von 1.500 Mark netto eine Familie ernährt.

Stihl: Auch die Lohnzusatzkosten müssen gesenkt werden. Allein schon die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall...

Köbele: Da zeigt sich das böse Gesicht des Frühkapitalismus...

Blüm: Das alte Wohlstandsfest ist vorbei!

Köbele: ... nachdem die Bedrohung durch den Sozialismus weg ist, lassen einige Unternehmer die Maske fallen!

Herr Köbele ist sehr klassenkämpferisch, und...

Stihl:... es ist doch merkwürdig, wenn in Zeiten der Wirtschaftsflaute plötzlich weniger krankgemacht wird.

Murmann: Der Vollkasko- Mentalität kann nur durch spürbare Selbstbehalte begegnet werden.

Wie bitte? Selbstbehalte?

Murmann: Umbau, Umbau, bitte. Überzogene Umverteilungen gefährden doch die Leistungsbereitschaft und Arbeitsmotivation.

Die Gewinne der Unternehmer wachsen schneller als die Löhne. Sind das die Selbstbehalte, die Sie meinen?

Blüm: Also. Die Unternehmer verfuttern ihre Gewinne ja nicht, sondern sie investieren sie und schaffen damit neue Arbeitsplätze.

Wie Herr Murmann! Wie läuft denn Ihr Betrieb in der Slowakei so, Herr Murmann?

Murmann: Viele Deutsche wandern eben ins Ausland ab.

Stihl: Zur Zeit erleben wir in Deutschland einen starken Trend, Produktionen ins Ausland zu verlagern. In absehbarer Zeit wird auch meine Firmengruppe im Ausland ebensoviel Beschäftigte haben wie im Inland.

Wie schön, daß das Kapital so flexibel ist.

Rexrodt: Das ist es: Wir müssen alle flexibler werden. Die Arbeit muß intelligenter organisiert werden.

Ein schönes Schlußwort, werte Herren. Moderation: Barbara Dribbusch

* * *

Die werten Herren: Klaus Murmann , Präsident der Arbeitgebervereinigung BDA und Maschinenbauproduzent; Hans Peter Stihl, Chef des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) und Kettensägenproduzent; Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm (CDU); Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP); Bruno Köbele , Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bau, Steine, Erden.

Alle Zitate entstammen Presseberichten, Interviews sowie Verbands- und Fachschriften.

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