: „Des Kreiz woi'ma hochhoit'n“
Angeführt vom Bischof und vom Landesherrn scharten sich 25.000 Bayern ums Kreuz und demonstrierten gegen das Karlsruher Intoleranzedikt ■ Aus München Thomas Pambuch
Eigentlich freuen sich alle. Die Christen wie die Freidenker, die Theologen wie die Agnostiker, das gemeine Volk wie der Kardinal. Und vor allem natürlich die CSU. Seit langem nicht mehr ist so intensiv über das Symbol des Abendlandes diskutiert worden, so geistreich und so flach, so scharfzüngig und so dumpf, so demagogisch und so kritisch.
„Das Kreuz ist und bleibt ein Skandalon“, konstatiert zufrieden der frühere bayerische Kultusminister Hans Maier in der FAZ. Und ob denn so ein Zeugnis unserer Geschichte kein Hausrecht mehr in unseren Schulen habe?
Aufgerufen von der katholischen Kirche machten sich am Samstag mittag mehr als 25.000 kreuzbrave bayerische Bürger in München für dieses Hausrecht stark. Ein Glaubens- und Werte- Outing wie es der geschichtsträchtige Odeonsplatz im Schatten der Feldherrnhalle zuletzt bei der „Biergarten-Revolution“ gesehen hatte. Motto diesmal: „Das Kreuz bleibt. Gestern – heute – morgen.“ Das Kreuzmotiv freilich, das ein gottesfürchtiger Grafiker eilends für die Plakate und die tausendfach verteilten Buttons entworfen hatte, strafte das Motto der frommen Kundgebung letztlich Lügen. Denn auch die Kirche will „modern“ sein und mit der Zeit gehen. „Des schaut ja aus wie eine Badekachel aus den sechziger Jahren“, amüsiert sich die nur zufällig anwesende Grundschullehrerin Roswitha, die in den langen Jahren ihrer hingebungsvollen Arbeit mit Münchner Schulkindern ihr eigenes Schulkreuz kaum bemerkt hat. Ihr ist die ganze Kruzifixdebatte „ziemlich wurscht. Das ist doch nur ein gefundenes Fressen für die CSU, um mal wieder populistisch abzusahnen. Wir haben wirklich andere Sorgen.“
Nun sollte man sich nichts vormachen, es gibt Leute in Bayern, die wirklich besorgt sind: „Was si die da erlau'm, die Richter in Karlsruhe, so kamma des doch net einfach stehlass'n!“ so hört man allenthalben und: „Des Kreiz, des woi'ma hochhoit'n.“ Die zahlreich aus den verschiedenen Gauen des Freistaates Angereisten machen aus ihrer Verärgerung keinen Hehl. Manche fürchten ernsthaft, das Bundesverfassungsgericht werde ihnen am End auch noch ihren Herrgottswinkel daheim und die Gipfelkreuze auf ihren schönen Bergen nehmen. Trennung von Kirche und Staat ist in Bayern nach 40 Jahren CSU-Regierung für viele einfach unvorstellbar. Und so ist es dann auch kein Wunder, daß neben Edmund von Gottes Gnaden, der ein flammendes Grußwort spricht, fast das gesamte CSU-Kabinett leiblich zugegen ist, natürlich auch Theo Waigel. „Der Weg, der mit dem Kruzifixurteil beschritten wurde, er ist ein Irrweg!“ donnert Stoibernarola über den Platz und irgendwie kommt einem in den Sinn, daß auch die Feldherrnhalle nur eine schlechte Kopie der Loggia dei Lanzi von Florenz ist. Das BVerfG-Urteil „trifft unsere Kultur in ihrem Lebensnerv!“ tönt der Ministerpräsident und ruft gar den Soziologen Ulrich Beck und sein Wort von den „Ichlingen“ in unsere Gesellschaft als heiligen Zeugen an. Dann wirft er die Textbausteine „Tradition, Lebensart und Mentalität“ aus seiner Biergartenrevolutionsrede in die jubelnde Menge und gelobt feierlich, daß die bayrische Staatsregierung in ihrem geplanten Gesetzentwurf „den nach dem Urteil verbliebenen Spielraum voll ausnützen“ werde, damit die Kreuze bleiben. „Gott mit dir, du Land der Bayern!“
„Kru, Kru, Kruzifix“ erschallt es eher schüchtern im lange nicht mehr gehörten Ho-ho-ho-Chi- Minh-Rhythmus aus den hinteren Reihen. Nur wenige Subversive haben sich zu der Kundgebung eingefunden. Ihr Protest ist katholisch getarnt. Sie tragen echte Holzkreuze mit Parolen wie „Wehret den Abhängern“ und beleben die sonst eher statische Kundgebung mit gelegentlichen Springprozessionen, bei denen aber nur die Polizei so richtig mitmacht. Ein von einer „islamischen Bruderschaft Al- Dschihad“ herausgegebenes Flugblatt solidarisiert sich mit der „gerechten Sache der bayrischen Katholiken“. Es gelte „den Angriff des laizistischen und gottlosen Staates zurückzuschlagen.“
Der Versuch die Demonstration damit zu ironisieren, schlägt allerdings weitgehend fehl, denn Kardinal Wetter als Hauptredner, schlägt Töne an, die von dieser Satire nur schwer zu unterscheiden sind. Er wettert, als habe er in Karlsruhe den Antichristen ausgemacht. „Wie können Richter denn so wirklichkeitsfremd sein?“ fragt er, geißelt das „verhängnisvolle Signal“ das das BVerfG mit seinem „Intoleranzedikt“ gesetzt habe, und fordert, das Gericht möge „das Ansehen wiedergewinnen, das es einmal besessen hat“. Das Urteil fördere „nicht die Toleranz, sondern die Intoleranz und schafft Unfrieden.“ Und trotz aller Beschwichtigungen der Kirche im Vorfeld, daß man einen Vergleich mit den Nazis nicht ziehen wolle, kann er es sich nicht verkneifen, eben diesen Vergleich zu bemühen und auch noch auszubauen: „Einen Staat ohne Gott haben wir schon zweimal erlebt, im Nationalsozialismus und im Kommunismus.“
Die bayrischen Freunde des Kreuzes dagegen erleben einen schönen weißblauen Tag. Man hat sich wieder mal zusammengeschart um Kirche und Staatspartei. Man hat ein paar kernige Worte gehört, a sauberne Predigt, Blasmusik und dann miteinander die Bayernhymne gesungen. Und hernach ist man auf die Wies'n gegangen oder ins Olympiastadion, wo der FC Bayern mit Gottes Hilfe (und der des Schiedsrichters) gegen Leverkusen gewonnen hat. Das Kreuz der Bayern ist halt doch immer noch stärker als das Bayer- Kreuz.
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