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Grün-schwarzer Flirt in Bremerhaven

■ Die Sieger, die ChristdemokratInnen, wollen zuallererst mit den Grünen sprechen

Gibt es in Bremerhaven eine Große Koalition nach dem Muster Bremens? Die Frage stellte sich schon wenige Minuten nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse am Sonntagabend. Gestern tagte der SPD-Vorstand bis in die Abendstunden hinein. Die Einladung der CDU zu Koalitions-Gesprächen lag bereits auf den Tischen der GenossInnen.Die CDU hat allerdings auch an die anderen Fraktionen Einladungen verschickt. Am kommenden Samstag wollen die ChristdemokratInnen Sondierungsgespräche mit Bündnis 90/Die Grünen, AfB und SPD führen. „Und zwar in dieser Reihenfolge“, betonte der CDU-Landesvorsitzende Michael Teiser.

Schon am Wahlabend liebäugelte die CDU mit den Grünen. „Wir werden mit allen demokratischen Parteien verhandeln – auch mit den Grünen, warum denn nicht“, eröffnete der bisherige Fraktionsvorsitzende Rolf Stindl den verblüfften WahlbeobachterInnen. „Die Große Koaliton könnte schließlich an „unüberbrückbarer Gegensätzen“ scheitern, gibt Verhandlungschef Teiser zu bedenken.

29,70 Prozent – das Wahlergebnis, das der SPD gerade einmal 16 Sitze im Stadtparlament beschert, ist eine schallende Ohrfeige für die Fraktion. Doch auch die CDU kehrte nach den anfänglichen Luftsprüngen über die 36,94 Prozent und die 19 Sitze auf den Boden der Tatsachen zurück. Schon eine Stunde nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse kamen die ChristdemokratInnen im Festzelt bei Sauerkraut, Kassler und Bier ins Grübeln: Ihr Wunsch-Koalitionsparter FDP war mit 3,92 Prozent aus der Stadtverordnetenversammlung geflogen. Die vier Sitze der AfB (7,72 Prozent) reichen der CDU nicht.

Die DVU, die mit drei Abgeordneten ins Stadtparlament einziehen wird, „kommt für uns als Koalitionspartner nicht in Frage“, betonte Spitzenkandidat Hans-Joachim Petersen, bevor er mit einem Humpen Bier auf das Wahlergebnis anstieß. Gestern sah der Spitzenkandidat die Sache allerdings schon nüchterner: „Eine Kooperation mit den Sozialdemokraten ist wahrscheinlich, im Land funktioniert sie schließlich auch.“

Ob grün und schwarz zusammenpaßt, darüber waren die Grünen am Wahlabend noch geteilter Meinung. Während sich Christian Scherzer durchaus vorstellen konnte, „mal mit der CDU zu reden“, verzog Spitzenkandidatin Birgit Spohn das Gesicht, als sie auf eine mögliche Koalition mit den ChristdemokratInnen angesprochen wurde. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß das gutgeht. Schließlich sind wir meilenweit voneinander entfernt“, sagte die Studentin. „Außerdem haben mich sehr viele junge Leute gewählt. Das wäre doch ein Schlag ins Gesicht, wenn wir plötzlich mit den konservativen Christdemokraten kooperieren würden.“ Gestern sah die Fraktion klarer: Die Grünen sind „ausdrücklich zu Gesprächen mit allen demokratischen Parteien bereit“, hieß es.

Den Flirt zwischen grün und schwarz sieht Bürgermeister Ulrich Nölle (CDU) allerdings gar nicht gern. Er würde sich über eine Große Koalition „sehr freuen“. Auch CDU-Landeschef Bernd Neumann plädiert für schwarz-rot.

Das wiederum geht einigen SPD'lern gegen den Strich. Schon am Wahlabend waren sie sich in der Bremerhavener Parteizentrale einig: „Vier Jahre Opposition ist das einzige, was uns jetzt noch helfen kann. Ansonsten schluckt uns die CDU, und wir verlieren noch mehr Stimmen.“ Daß sie sich an den Gedanken einer Großen Koalition gewöhnen müssen, ist allerdings so gut wie sicher: „Rot-grün“ mag in Bremerhaven niemand mehr laut aussprechen.

Schon einmal hatten es die Roten und die Grünen miteinander versucht. Die wilde Ehe scheiterte im Juni 1993 – die Wunden sind noch zu frisch. Seinerzeit wurde der von CDU und FDP favorisierte Kandidat Volker Holm zum Baustadtrat gewählt. Mindestens zwei Mitglieder der rot-grünen Kooperation hatten dem Wunsch-Kandidaten Ekkehard Dammann ihre Stimmen versagt. Die Grünen trennten sich prompt von der SPD. Die Kooperation war nach zwei Jahren gescheitert. kes

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