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Nato-Verbände sollen die UNO-Schutztruppen in Bosnien- Herzegowina ablösen - nach Zustandekommen einer Friedensverein- barung. Noch ist nicht klar, wie stark die Truppe sein soll, um den Frieden "umzusetzen". Das hängt von der end- gültigen

Nato-Verbände sollen die UNO-Schutztruppen in Bosnien-

Herzegowina ablösen – nach Zustandekommen einer Friedensverein-

barung. Noch ist nicht klar, wie stark die Truppe sein soll, um den Frieden „umzusetzen“. Das hängt von der end-

gültigen Landkarte ab, auf die sich die Kriegsparteien am Ende einigen werden.

Friedenswächter und Vermittler

Die UNO-Schutztruppen in Bosnien-Herzegowina werden nach einer Friedensvereinbarung abgezogen und durch Nato-Verbände ersetzt. Mit dieser Ankündigung stieß die US-Regierung vor zwei Wochen insbesondere in westlichen Staaten auf Zustimmung und Erleichterung. Denn UNO und Unprofor sind seit Beginn ihres Engagements in Bosnien im Oktober 1992 immer mehr zum beliebten Prügelknaben geworden. Vor allem für die Regierungen Westeuropas und der USA ist es längst zur bequemen Praxis geworden, für die vielen eigenen Fehler und Versäumnisse in Bosnien UNO und Unprofor verantwortlich zu machen.

Doch warum sollte eine Nato- Truppe in Bosnien besser funktionieren als eine UNO-Truppe? Auch bisher stellen Soldaten aus den Nato–Staaten Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Kanada und Dänemark einen Anteil von rund 70 Prozent der Unprofor. Kommandoebene, Infrastruktur und Logistik der Unprofor werden von Nato-Staaten dominiert; seit Mitte 1993 in erster Linie von Frankreich und Großbritannien.

Auch wenn ihr Auftrag nicht mehr das „Peacekeeping“ und die Durchsetzung von Hilfskonvois, sondern die „Umsetzung“ des Friedens (daher PIF = peace implementation force) sein soll, wird die künftige Nato-Truppe vor sehr ähnlichen Problemen und Konflikten stehen wie bislang die Unprofor. Noch ist nicht klar, wie groß die PIF sein muß, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Die bisherigen Planungen im Brüsseler Nato- Hauptquartier gingen von einer Größenordnung von 50.000 bis 60.000 Soldaten aus, davon bis zu 25.000 US–Soldaten. Doch der genaue Bedarf hängt nicht unwesentlich von der entgültigen Landkarte ab, auf die sich die muslimisch-kroatische Föderation und die bosnischen Serben schließlich einigen werden. Bleibt es bei der muslimischen Enklave Goražde und den bisherigen Landkorridoren durch die Gebiete der jeweils anderen Seite, wird der Bedarf an PIF–Soldaten größer sein, als bei einer Teilung Bosniens in zwei zusammenhängende Gebiete.

Moskau will mitkommandieren

Umfang und Zusammensetzung der PIF sind auch vom genauen Mandat der Truppe abhängig, das bislang von den Nato-Planern nur allgemein beschrieben wird. Die Stichworte lauten: „Überwachung des Friedensabkommens“, „Verhinderung von Verstößen“ und „Hilfe zum Wiederaufbau Bosniens“. Für den Wiederaufbau und die Schlichtung lokaler Streitigkeiten würden vor allem Ingenieure und Offiziere mit Vermittlungsfähigkeiten gebraucht.

Nach Auffassung von US-Generalstabschef John Shalikashvili muß die PIF aber auch über ausreichende Durchsetzungsfähigkeiten verfügen. Die Truppe müsse „groß genug und robust genug sein, um sich unter allen Umständen selber schützen zu können und in der Lage sein, ihr völlige Bewegungsfreiheit zu gewährleisten“, erklärte der oberste US-Soldat letzte Woche. Im Zusammenhang mit dem genauen Mandat müssen auch für die Soldaten der PIF-Truppe der Nato genaue Einsatzrichtlinien, sogenannte rules of engagement, festgelegt werden. Diese Richtlinien regeln die Frage, unter welchen Umständen und unter wessen Kommando welche Waffen eingesetzt werden dürfen.

Über die Dauer des PIF-Einsatzes gibt es bisher nur vage Vorstellungen. Die neue Truppe soll – parallel zum Abzug der Unprofor – innerhalb von sechs Monaten nach einer Friedensvereinbarung stationiert werden und mindestens ein Jahr in Bosnien bleiben. Danach soll sie durch eine 12.000 Mann starke Beobachtertruppe ersetzt werden.

All diese Fragen dürften auch im Mittelpunkt der Verhandlungen mit Moskau über eine Beteiligung Rußlands an der PIF sein. US-Vermittler Richard Holbrooke hatte Mitte September im Zusammenhang mit dem Rückzug der schweren Waffen der Karadžić–Serben bei Sarajevo und der Einstellung der Nato–Luftangriffe die Verstärkung der russischen Kontingente in den von Serben bewohnten Vororten der bosnischen Hauptstadt vereinbart. Doch die Moskauer Vorstellungen zielen auch auf eine gleichberechtigte Rolle mit der Nato innerhalb der PIF ab: Moskau möchte bei der Bestimmung von Mandat und Einsatzrichtlinien mitreden und auch am Kommando der Truppe beteiligt sein, so gestern der russische Verteidigungsminister Gratschow in Moskau. Letzteres wird in Brüssel bislang jedoch abgelehnt.

Schließlich bleibt die Frage der Finanzen. Hier dürfte es zwischen den USA und ihren westeuropäischen Nato-Partnern noch erhebliche Diskussionen geben. Die UNO hat nicht zuletzt deswegen so rasch ihre Zustimmung zur Ablösung der Unprofor durch eine Nato–Truppe signalisiert, weil das diesjährige Peacekeepingbudget der UNO längst ausgeschöpft ist. Andreas Zumach, Genf

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