: Anpassung an die Gepflogenheiten
■ Deutschlands ehemaliger Vertreter in Spanien soll Schmiergelder vermittelt haben – jetzt muß er aussagen
Madrid (taz) – Sich mit den Sitten und Gepflogenheiten des Gastlandes vertraut zu machen gehört zum Berufsethos eines Botschafters. Guido Brunner, von 1982 bis 1992 deutscher diplomatischer Vertreter in Madrid, scheint dies gut gelungen zu sein. Zu gut, meint Ermittlungsrichterin Maria Teresa Chacón, die ihn gestern im Zusammenhang mit der illegalen Finanzierung der Regierungspartei PSOE vorgeladen hat. Noch trat Brunner als Zeuge auf. Das aber könnte sich schon bald ändern – Ende August hat das Auswärtige Amt in Bonn Brunner die diplomatische Immunität entzogen.
Die Richterin staunte nicht schlecht, als sie bei ihren mannigfaltigen Korruptionsermittlungen gegen die Finanzverantwortliche der PSOE, Adia Alvarez, auf ein ungewöhnliches Dreiecksgeschäft zwischen Industrie, deutscher Botschaft und der Partei stieß. Juan Antonio Diaz Alvarez, damaliger Präsident der spanischen Volkswagentochter Seat, übergab 1988 3 Millionen Mark an Guido Brunner – 2,5 Millionen als Scheck und eine halbe Million in bar. Über Umwege gelangte der Scheck in die Hände der Kassenwärtin Alvarez. Von der halben Million in bar fehlt seither jede Spur. Böse Zungen behaupten, Brunner habe sie selbst eingesteckt.
Auch für den Siemens-Konzern soll Brunner ein gutes Wort bei der Regierung González eingelegt haben. Nicht ohne Erfolg: Das spanische Innenministerium erwarb Siemens-Scanner zur Taschenkontrolle im Wert von 70 Millionen Mark für die „Expo 1992“ in Sevilla und die Olympischen Spiele in Barcelona. Im Gegenzug sollen zwischen 1989 und 1991 insgesamt 5.979.840 Mark Bestechungsgelder des Elektroriesen auf ein Nummernkonto der Polizeitruppe Guardia Civil bei der Union Bancaire Privée in Genf geflossen sein.
Aufgedeckt wurde das ungewöhnliche Geschäftsgebaren vom Schweizer Richter Paul Perraudin. Er überprüft im Zuge der Amtshilfe die Konten des ehemaligen Chefs der Guardia Civil, Luis Roldán. Der soll sich im Amt um insgesamt 13 Millionen Mark bereichert haben. Perraudin stieß auf sechzig Schecks à 100.000 Mark. Die Schecks, die in Uruguay in Umlauf gebracht worden waren, stammten alle aus einer Zürcher Bank und gingen zu Lasten eines Frankfurter Kontos. Die Spur führt zu Siemens. Der Elektromulti habe den Weg über Lateinamerika gewählt, so die Vermutung der Ermittlungsbehörden, um sich nicht strafbar zu machen – innerhalb der Europäischen Union untersagt die deutsche Rechtsprechung Kommissionszahlungen ausdrücklich. Perraudin vermutet, daß Siemens die Summe gar in Deutschland von den Steuern abgesetzt hat.
Die französischen Konkurrenten beim Bau der Trasse für den Hochgeschwindigkeitszug Madrid–Sevilla aus dem Rennen zu werfen kam Siemens noch teurer. Bis zu 100 Millionen Mark soll die PSOE kassiert haben, bevor Siemens den Zuschlag für das 1,25- Milliarden-Geschäft erhielt. Einfädler auch hier, so die Vermutung: Botschafter Guido Brunner.
Selbst aus öffentlich-rechtlichen Gebühreneinnahmen soll Brunner kassiert haben. Der Stern berichtet, 1991 soll die ARD 25.000 Mark bezahlt haben, damit Brunner seine Beziehungen spielen ließ. Die ARD mochte ihre teuren Studioräume in Madrids Geschäftszentrum nicht räumen – mußte sie auch nicht. Reiner Wandler
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