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■ Der "Eurofighter" spaltet die SPD. Während in Bonn gegen den einstigen "Jäger 90" polemisiert wird, lassen sich norddeutsche Länderchefs vom Rüstungsgiganten Dasa mit dem Arbeitsplatzargument erpressen.Aus Liebe zu zivilen Zielen

Der „Eurofighter“ spaltet die SPD. Während in Bonn gegen den

einstigen „Jäger 90“ polemisiert wird,

lassen sich norddeutsche Länderchefs vom Rüstungsgiganten Dasa mit dem Arbeitsplatzargument erpressen.

Liebe zu zivilen Zielen

Die resolute SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus- Maier konnte sich gestern mal wieder nur wundern. Gegenstand ihres lautstarken Staunens war aber ausnahmsweise nicht Theo Waigel, sondern jene SPD-Ministerpräsidentenriege, die sich für den „Eurofighter“ ausgesprochen hatte: „Es ist immer verkehrt, wenn Rüstung Jobs retten soll.“ Auch Rudolf Scharping verzog medienwirksam die Augenbrauen: „Es gibt derzeit keinen Grund für eine sofortige Entscheidung für den Bau des Eurofighters.“ Gerhard Schröder konterte trocken: „Die Frage ist nicht, ob das Flugzeug gebaut wird, sondern nur noch wo.“

Die Forderung nach Milliardenaufträgen und Milliardensubventionen für Rüstungs- und Raumfahrtprojekte der Daimler-Tochter Deutsche Aerospace (Dasa) hat Tradition. Doch noch niemals hat der Münchner Rüstungskonzern die deutsche Politik dabei so auf seiner Seite wie diesmal. Der öffentliche Wirbel um das radikale Sparprogramm „Dolores“, welches 15.000 der 40.000 Luftfahrt- Arbeitsplätze bei der Dasa bedroht, zeigt offenbar jene Wirkung, die Daimler-Chef Jürgen Schrempp beabsichtigte. Ein Ja zum Eurofighter und zur „Verstetigung“ des Luftfahrtforschungsprogramms würde den immer noch aufgeblähten Rüstungsbereich der Dasa in eine profitable Gewinnquelle verwandeln.

Erstaunlich nur, daß sich für die fast ausschließlich in Bayern angesiedelte Rüstungsproduktion auch norddeutsche SPD-Ministerpräsidenten, Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte stark machen. Auch hier kennt Jürgen Schrempp das Geheimnis. Bereits 1992 drohte er ganz unverhohlen: „Geht der European Fighter Aircraft nicht in Serie, so sind nicht nur die süddeutschen Dasa-Betriebe betroffen, sondern auch die im Norden und Osten.“

Spricht man heute mit Betriebsräten und IG-Metall-Spitzenfunktionären unter vier Augen, dann räumen sie ein, natürlich gehe es im Augenblick um „Erpressung“. Genau vor dieser Erpreßbarkeit der Politik hatten 1989 führende Sozialdemokraten gewarnt. Damals überstimmte Wirtschaftsminister Haussmann (FDP) ein Veto des Bundeskartellamts und genehmigte die Fusion von Daimler und MBB (heute in der Dasa aufgegangen) zum größten deutschen Rüstungskonzern. SPD und Grüne protestierten im Bundestag aufs schärfste. Der damalige SPD- Fraktionsvize Wolfgang Roth sprach am 8. September 1989 im Bundestag von einem „Skandal“. Auch IG-Metall-Chef Franz Steinkühler erregte sich über die „Elefantenhochzeit“.

Altkanzler Helmut Schmidt, heute übrigens so nebenbei Aufsichtsratsmitglied der Dasa-Tochter Daimler Airbus, hatte sich dagegen vehement für die Fusion eingesetzt und an die Adresse der Fusionsskeptiker in der SPD in der Zeit Klartext formuliert: „Eine militärisch-industrielle Vorherrschaft über die deutsche Volkswirtschaft und Politik ist eine bloß ideologisch gespeiste Zwangsvorstellung.“ Der „Verdacht hinsichtlich angeblicher Unfähigkeit unserer Verfassungsorgane“, so Schmidt damals, „sie könnten sich aus national-egoistischen Gründen von Daimler-Benz zu unrationaler Auftragsvergabe an den Daimler- Benz-Konzern zwingen lassen, steht auf schwachen Füßen.“ Ganz stark dagegen war sich Schmidt in der Gewißheit, daß es endlich die Chance gebe, „den Airbus subventionsunabhängig zu machen“.

Die entscheidenden Sozialdemokraten hörten damals auf Schmidt. Schmidt-Fan Henning Voscherau, kurz zuvor zum Hamburger Bürgermeister gekürt, hätte die Fusion verhindern können. Hamburg besaß eine 18prozentige Sperrminorität an MBB. In geheimen Gesprächen zwischen den Fusionsfeinden in der Bonner SPD-Bundestagsfraktion und dem Hamburger SPD-Senat wurde jedoch damals dafür gesorgt, daß kein Bonner Genosse öffentlich auf die Vetomöglichkeit Hamburgs hinwies. Das Motto: In Bonn öffentlichkeitswirksam Flagge zeigen, auf Landesebene knallhart handeln.

Schmidt und Voscherau, die damals von „ungeheuren ökonomischen Chancen für den Norden“ schwärmten, irrten, so zeigt sich heute, gewaltig. Um Rüstungsaufträge zu ergattern, nimmt das Daimler-Management sogar die norddeutschen Zivilarbeitsplätze bei Airbus in Haftung. Das Sparprogramm Dolores nämlich zielt vor allem auf den Airbus. Dabei hat Schrempp der Airbus bereits in den letzten Jahren die Hauptlast der bescheidenen Rüstungskonversion bei der Dasa aufgebürdet. Statt die süddeutschen Dasa-Rüstungswerke zu schließen, mußte die Airbus GmbH für 60 Millionen Mark die Werke Speyer, Oberpfaffenhofen und Neuaubing kaufen, sanieren und mit Airbuszulieferaufträge auslasten.

Über Alternativen zur Rüstungserpressung per Dolores äußern sich Gewerkschafter derzeit nur hinter vorgehaltener Hand – schließlich soll die Dasa-Solidarität halten: „Die Dasa müßte für ihre süddeutschen Werke die überfällige Rüstungskonversion in zivile Zukunftsmärkte vorantreiben und die Airbusproduktion in Norddeutschland optimieren.“ Ingrid Matthäus-Maier weist den Weg: „Wenn schon Arbeitsplätze mit Subventionen geschaffen werden, dann sollten das zivile Arbeitsplätze sein wie etwa im Umweltschutz oder bei der Energieeinsparung.“ Florian Marten

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