: Staatsanwältin bringt Simpson zum Heulen
■ Plädoyer der Staatsanwaltschaft im Simpson-Prozeß: „Jenseits jedes vernünftigen Zweifels schuldig“ / Der Angeklagte weint, Richter Ito streitet mit den Journalisten
Los Angeles (AP/dpa/wps) – Beinahe wären die Ausführungen der Staatsanwältin im Schluchzen der Angehörigen untergegangen. Als Marcia Clark in ihrem Schlußplädoyer am Dienstag darlegte, warum sie glaubt, daß O.J. Simpson des Doppelmordes an seiner Exfrau und deren Freund schuldig sei, überwältigten die Familien von Nicole Brown Simpson und Ronald Goldman die Tränen. Als Staatsanwälting Marcia Clark vom „abschlachten“ der Opfer und von einem „Overkill in blinder Wut“ sprach, brach auch der Footballstar Simpson in Tränen aus. Seine Verteidiger brachten ihm Taschentücher. Clark ging auf alle Verdachtsmomente ein – Fußabdrücke, Haarsträhnen, Blutflecken und Teppichfasern in Simpsons Auto –, um das ihrer Meinung nach richtige Licht in das Dunkel der Bluttat vom 12.Juni 1994 zu bringen. Während sie die einzelnen argumentativen Puzzlestücke aneinanderreihte, wurde ein bildliches Puzzle auf eine riesige Leinwand projiziert, das zum Abschluß das Gesicht des Angeklagten zeigte. Clark sagte den Geschworenen, es habe sich ihrer Einschätzung nach um eine Affekthandlung, eine „mörderische Überreaktion“, gehandelt: „Das ist nicht die Tat eines professionellen Killers.“ Der Mörder sei von der Frau besessen gewesen und habe einen Weg gefunden, sie für immer unter seine Kontrolle zu bringen – und dieser Mann sei der Angeklagte. „Simpson ist jenseits jedes vernünftigen Zweifels schuldig“ sagte sie; auch das rassistische Verhalten des Kripobeamten Mark Fuhrman, der nach dem Vorhalten der Verteidigung Beweismittel gefälscht haben soll, entlaste Simpson nicht.
Während Clark sich auf die Fakten beschränkte, konzentrierte sich der schwarze Staatsanwalt Christopher Darden auf die Person Simpson und nannte den Angeklagten einen „Mörder“. Darden rief: „Niemand hat auf ihn gezeigt und gesagt, daß er es war. Ich zeige auf ihn!“ Die Schlußplädoyers wurden live im Fernsehen übertragen. Daher herrschte Empörung, als Richter Lance Ito vorübergehend die Kamera samt Ton ausschaltete, weil sie Simpson in Großaufnahme gezeigt hatte. Nach Protesten von Journalisten hob der Richter das Filmverbot wieder auf.
Die Staatsanwaltschaft wollte gestern ihr Plädoyer abschließen. Anschließend spricht die Verteidigung. Dann beraten die Geschworenen. Im Falle eines Schuldspruchs wegen Mordes droht Simpson eine lebenslängliche Freiheitsstrafe ohne Begnadigungsmöglichkeit. Bei Totschlag droht ihm eine Haftstrafe von 16 Jahren mit Aussicht auf frühere Entlassung bei guter Führung.
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