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Unterm Strich

Erstmal das brandheiße Zeugs weggeschimmelt: Nachdem nun auch der große alte Mann der deutschen Germanistik, Peter Wapnewski, wie gestern vermeldet, die designierte Trägerin des diesjährigen Friedenspreises des deutschen Buchhandels Annemarie Schimmel dazu aufgefordert hat, auf die Würdigung zu verzichten, wies der für die Vergabe des Preises zuständige Börsenverein seinerseits ein weiteres Mal darauf hin, daß der Stiftungsrat (dem Wapnewski selbst angehört) seine Entscheidung pro Schimmel „mit sehr großer Mehrheit bestätigt“ habe. Wapnewskis Meinung habe zwar Ansehen und Gewicht in der Runde, nichtsdestotrotz sei das

Votum klar.

Unterdessen hat die Wiener Tageszeitung Der Standard die Fälschung einer Unterschrift des Schauspielers Fritz Muliar („Schweijk“ etc.) in einem der zahlreichen Anti-Schimmel-Aufrufe aufgedeckt. In einem Brief an Bundespräsident Herzog und den Börsenverein des deutschen Buchhandels war der Eindruck erweckt worden, Fritz Muliar habe den Protestbrief unterschrieben und handschriftlich hinzugefügt „gegen die geplante Schande“. Muliar erklärte dem Standard, ein vorgeblich für amnesty international arbeitender Anrufer habe ihm „gesagt, diese Dame ist vorbehaltlos für die Hinrichtung von Rushdie“. Darauf habe er dem Protestbrief zugestimmt, ihn aber nicht selbst unterschrieben. Er trete von dieser Erklärung zurück. In dem Brief war Schimmel vorgeworfen worden, sie hätte in ihren Schriften die Klitorisbeschneidung, das islamische Strafrecht sowie die Todesstrafe für Gotteslästerung verteidigt. Der Börsenverein wies diese Vorwürfe als nachweislich falsch zurück. Der Brief war von H. C. Artmann, Gerhard Ruiss und Alfred Kolleritsch unterzeichnet worden. Auch Kolleritsch hat seine Unterschrift inzwischen zurückgezogen.

Als „Trendbase für Presse, Business & andere Gestalten“ versteht die Firma Megacult ihren echt voll restylten Newsletter, der nun in etwa das Anforderungsprofil einer Viva-Moderation aufweist. „Schüttel deine Funky Bones! Seit James Brown die Sex Machine in Gang setzte, gilt: Funk ist Leidenschaft, Leben & Liebe, verpackt in elektrisierende Rhythmen!“ wird für den „Funky Dance Groove Vol.2“ von Sony geworben. Am echt und total vollkommen abgefahrensten sind aber nicht die Mainzelmännchen auf Tekkno gleich neben Kuschelrock, „Ibiza Sunrise“ und Sounds aus dem Buschhospital von Albert Schweizer („Lambarene – Bach to Africa“), sondern Panegyrisches auf Sponsor Camel: „Unglaublich, aber Halfzware! Der Tabak – Made by Camel schmeckt dermaßen gut, daß Du fast durchdrehst. Und weil das so ist, drehen wir nun voll auf. Triff die völlig abgedrehten Camel Halfzware-Teams in Deutschlands Kneipen (ab Mitte Oktober 95) & zeige

ihnen, wie flink Deine Finger sind. Schaffst oder unterbietest Du beim Völlig-Abgedreht-Direktgewinnspiel das Drehzeitmoment, gewinnst Du sofort ein Camel-Halfzware-Pouch mit Feuerzeug ... roll an zum Völlig- Abgedreht-Contest ... rollen wir locker weiter ... Deutschlands Drehkönig ...“ (wir blenden langsam aus) ...

Die rechte Psychosekte VPM („Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis“) hat vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung gegen den rororo-Titel „VPM – Die Psychosekte“ erwirkt – mit der Konsequenz, daß der Verlag bis zur gerichtlichen Entscheidung am 11. Oktober das Buch nur mit geschwärzten Textstellen ausliefern darf. Buchhändlern, die den Titel noch vor der einstweiligen Verfügung bestellt haben und ungeschwärzt verkaufen, droht die Sekte mit kostenpflichtigen Abmahnungen in Höhe von 800 Mark. Nach Informationen von Rowohlt sind verdeckte Käufer unterwegs!

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