: „Warum den alten Mann an den Pranger stellen?“
Claus Grubbe war jahrelang im Beirat der „Gesellschaft für bedrohte Völker“. Vorsitzender Tilman Zülch:
„Ich habe Peter Grubbe in den 50ern kennengelernt. Ich war damals öfters bei Lesungen von ihm: Er war sehr konsequent – gegen Waffenlieferungen, gegen den Algerienkrieg, und er war auch einer der ersten, die sich gegen den Krieg in Biafra engagiert haben. Die letzten 50 Jahre hat er hat sich sehr für die Dritte Welt eingesetzt. Mir fiel auf: Er war in Diskussionen sehr konziliant, er hat die Leute zwar inhaltlich angegriffen, sie aber nie fertiggemacht. Er war nicht verhärtet.
Als ich von Grubbes Vergangenheit hörte und die Dokumente gesehen habe, war ich dagegen, das bekanntzugeben: Dies war für mich eine Vergangenheitsbewältigung, die nicht konstruktiv gewesen wäre. Vielleicht spielt bei mir auch eine gewisse Resignation mit. Ständig werden auf der Welt Völkermord und Verbrechen begangen – aber niemand wird zur Rechenschaft gezogen. Grubbe ist ein alter Mann.
Mitterrand, der im Algerienkrieg unheilvoll mitgemischt hat, darf in Ehren sterben. Warum also diesen alten Mann an den Pranger stellen? 1992 habe ich ihn aus der Beiratsliste der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ gestrichen. Im nachhinein ist mir klar geworden, daß dieser Mann schwer an seinem Leben trägt.“
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Tilman Zülch in einem Telefongespräch mit Arno Luik
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