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„Eine Gefahr für die demokratische Kultur“

■ Vierzig namhafte Staatsrechtler fordern den Bundesrat auf, die neue Diätenregelung abzulehnen. Fraktionen von SPD und Union beraten heute über weiteres Vorgehen

Bonn (dpa) – Über 40 führende Verfassungsrechtler appellierten gestern an den Bundesrat, die vom Bundestag beschlossenen Diätengesetze abzulehnen. Die darin beabsichtigte „Selbstbegünstigung“ des Parlaments sei „eine ernste Gefahr für die demokratische Kultur“, heißt es in dem Aufruf. Mangels eines wirksamen Gegengewichts im Bundestag wachse dem Bundesrat eine besondere Verantwortung zu. Zu den Unterzeichnern gehören Erhard Denninger (Frankfurt/Main), Günter Dürig (Tübingen), Konrad Hesse (Freiburg), Otto Kimminich (Regensburg), Hans-Peter Schneider (Hannover) und Hans Herbert von Arnim (Speyer).

Derweil beriet der Innenausschuß des Bundesrates über die Diätenregelung, verzichtete aber auf eine förmliche Abstimmung. Damit solle der drohende Konflikt zwischen Bundestag und Bundesrat nicht weiter angeheizt und der Weg für eine Konsenslösung offengehalten werden, erklärte der amtierende Vorsitzende, Schleswig-Holsteins Innenminister Ekkehard Wienholtz (SPD).

Die Länderregierungschefs werden voraussichtlich am 10. Oktober – drei Tage vor der geplanten Abstimmung im Bundesrat – ihre Linie festlegen. Zuvor soll das Thema am Rande der Feierlichkeiten zum 3. Oktober zur Sprache kommen, zu der Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Johannes Rau seine Amtskollegen nach Düsseldorf eingeladen hat. Wie es heißt, will vor allem Rau eine Konfrontationslösung verhindern.

Bewegung zeichnet sich unterdessen auch in der Union und bei den Sozialdemokraten ab. Sie hatten am vergangenen Donnerstag den Diätengesetzen und der Grundgesetzänderung gegen die Stimmen der kleineren Parteien zugestimmt. Die beiden großen Fraktionen beraten heute in Sondersitzungen über das weitere Vorgehen. Bei den Sozialdemokraten wird es dabei auch um die Kritik vieler Abgeordneter gehen, Fraktionschef Rudolf Scharping und der parlamentarische Geschäftsführer Peter Struck hätten für keine ausreichende Abstimmung mit den SPD-Ländern in der Diätenfrage gesorgt. Solche Vorwürfe wurden von Länderseite bekräftigt. So seien die endgültigen Gesetzestexte trotz mehrfacher Anforderung erst zwei Tage vor der Abstimmung im Bundestag aus Bonn zugestellt worden.

Neben Scharping wird vor allem der Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck wegen der mangelhaften Koordination kritisiert. Er wies gestern darauf hin, daß die Länder im Vorfeld keine Bedenken angemeldet hätten. Ein SPD-Abgeordneter äußerte die Vermutung, daß die Kritik aus den SPD-Landesregierungen auf den Sturz Scharpings ziele.

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