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Lob & Preis etc.Der Herbst des großen Lobs

■ Intrigen im deutschen Feuilleton – unschön, aber dafür ziemlich wahr

Eine Sekunde hatte Fritz Jott Raddatz gezögert, als man ihn am Telefon fragte, ob er bereit sei, den Friedenspreis des Buchhandels entgegenzunehmen – sage er zu, werde man von der Verleihung des Preises an Annemarie Schimmel Abstand nehmen. Erst mit dem Erscheinen der Oktober-Titanic erkannte er, wer ihn auf die falsche Fährte gelockt hatte, die er insgeheim für die richtige hielt. Wer, wenn nicht er, verstände am ehemaligen Osten jenes am besten, dachte er, was dieser an sich selbst nicht versteht, wer, wenn nicht er, dachte er, oder Nobelpreisträger Grass? Natürlich würde er nicht dafür belohnt, daß er ein Blatt vor den Mund nimmt, was ja auch für die Alternative Schimmel gelte, dachte er, die vor kurzem fahrlässig hatte verlauten lassen, Reich-Ranicky müsse sich nicht wundern, daß man ihm nach dem Leben trachte, solange er den muslimischen Rapper Durs Grynbein fernsehöffentlich in den Dreck ziehe. Wiederholt hatte er behauptet, moralisch sei Grynbein in der „Grauzone unterwegs“. Böses Blut im Feuilleton und anderorten in diesem Herbst.

Natürlich mußte Grynbein den großen Kaderpreis der FAZ bekommen, nachdem ihn Wochen zuvor Gustav Zeibt als „Götterspeise“ gepriesen hatte, aber durfte man in dieser Weise Reich-Ranicky verprellen? Und nachdem Grynbein akzeptiert hatte, war es nicht ungeschickt von ihm, ausgerechnet Ulrich Wickert die Laudatio anzutragen? Wo doch in der gleichen Preisverleihung Wickert die Droste-Medaille (Motto: In achtzig Phrasen um die Welt) verliehen bekommen sollte? So daß es aussehen würde, als sei Heinar Müllers Laudatio auf Wickert eine Laudatio auf einen Lobredner, so daß am Ende kein Ende zu finden sei? So daß böse Gemüter schon scherzten, ob man nicht dem Müller dann noch den Freudpreis hinterherwerfen sollte, für seine Entdeckung, daß Thomas Mann homosexuell gewesen sei? Den Mann im Hintergrund jedoch, Frank O'Schirrmaker, konnte das nicht aus der Ruhe bringen: Laß die nur ihre Meerschweinchen föhnen, pflegte er noch bis vor kurzem zu sagen. Dann aber trat Werner Vuldt auf den Plan mit seinem nunmehr notorischen Who-fucks-Who, in dem, wie jeder weiß, keine Frau vorkam und alle Beteiligten in Frankfurt wohnhaft sind. Jetzt zog O'Schirrmaker, nicht ohne Witz, seine letzte Karte: Zeibt, verkündete er, werde im folgenden Monat Taslima Nasrin ehelichen – die Garbo unserer Tage, wie Raddatz kurz darauf in der Zeit verlauten ließ. Trauzeugen sind, wie man hört, Kluge und Theweleit. Rapper Grynbein war zu dem Thema kein Kommentar mehr abzuwringen, aber noch vor Weihnachten soll die neue Platte da sein, die „Polacken-Stasi“ heißt, „gewidmet Schwester Annemarie, die ihren Carl Schmitt auch gelesen hat“. Fluff Siegel

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