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Glanzloses Ende eines Inselherrschers

■ Auf den Komoren verkünden die Putschisten ihren Sieg. Paris interveniert nicht

Berlin (taz) – „Ich verlasse meinen Palast fast nie mehr. Ich bin nicht Präsident, sondern ein Gefangener! Diejenigen, die für meine Sicherheit verantwortlich sind, hindern mich daran, hinauszugehen, denn ich bin extrem gefährdet.“ So charakterisierte Said Mohammed Djohar, Präsident der Komoren, im Februar 1994 in einem Interview seine Situation und damit zugleich die Instabilität seines Inselstaates vor der ostafrikanischen Küste im Indischen Ozean. Angesichts dessen erscheint es verwunderlich, daß Djohar bis jetzt im Amt bleiben konnte.

Nun ist Djohars Zeit wohl endgültig vorbei. Der Söldnerputsch unter Führung des französischen Exchefs der Präsidialgarde, Bob Denard, der am Donnerstag früh mit der Gefangennahme Djohars begann, ist offenbar erfolgreich. Gestern gaben die Putschisten die Bildung eines „Übergangs-Militärkomitees“ unter Führung des Hauptmanns Kombo bekannt. Es soll die früheren Machthaber vor Gericht stellen, eine Übergangs- Zivilregierung einsetzen und Wahlen organisieren.

Die komorische Botschaft in Paris bestritt den Sieg der Putschisten. Doch Bewohner der Komoren berichteten gegenüber Nachrichtenagenturen, die etwa 20 ausländischen Söldner hätten die Regierungsarmee – sie besteht insgesamt aus 800 Soldaten – in nächtlichen Kämpfen besiegt. Die Armee hatte am Donnerstag das von den Söldnern besetzte Radiogebäude zurückerobert, wurde dann aber in der Nacht von der militärisch erheblich besser ausgerüsteten Putschistentruppe wieder vertrieben und zum Teil entwaffnet. Innenminister Ali Mohammed Allaoui, der loyal zu Djohar steht, sprach von einer großen Anzahl von Toten.

Die gestürzte Regierung fordert nun ein Eingreifen Frankreichs. Allaoui kritisierte, die drei französischen Leibwächter des Präsidenten seien ihrer Aufgabe nicht nachgekommen, und nun müsse Frankreich gemäß des französisch-komorischen Sicherheitsvertrages die verfassungsgemäße Ordnung wiederherstellen. Das wäre einfach: Eine der vier Hauptinseln des Komoren-Archipels, Mayotte, ist noch immer Teil Frankreichs.

Frankreichs Premierminister Alain Juppé erklärte gestern jedoch, ein Eingreifen komme nicht in Frage. „Wir hoffen, daß sich der Respekt für demokratische Regeln so bald wie möglich durchsetzt“, sagte er. Die französischen Soldaten auf Mayotte und Réunion waren am Donnerstag in Alarmbereitschaft versetzt worden.

Der gestürzte Staatschef Djohar hatte nach dem ungeklärten Tod seines Vorgängers Ahmed Abdallah im November 1989 die Macht übernommen. Im März 1990 ließ er sich durch freie Wahlen bestätigen und führte 1992 eine demokratische Verfassung ein. Seither hat er sich jedoch in heftigen Streit mit der Opposition verstrickt; die für 1993 angesetzten Parlamentswahlen mußten viermal verschoben werden, und als sie im Dezember 1993 schließlich doch stattfanden, boykottierte die Opposition das frischgewählte Parlament.

Auch die Wirtschaft des Landes hat Djohar nicht sanieren können: Die Arbeitslosigkeit stieg dieses Jahr auf 50 Prozent, die Ausfuhr der Hauptexportgüter Vanille und Ylang-Ylang sinkt. Ende letzten Jahres entließ die Regierung 1.297 Staatsbeamte, von denen 1.015 im Bildungs- und Gesundheitsbereich gearbeitet hatten – für ein Land mit einer halben Million Einwohnern eine Massenentlassung mit beträchtlichen Konsequenzen. Das einzige größere Flugzeug der staatlichen Fluglinie ging vor einigen Monaten kaputt.

Bereits im Sommer 1992 versuchten die beiden Söhne des früheren Präsidenten Abdallah, per Besetzung des Radiogebäudes die Macht zu ergreifen. Sie sind nun auch die prominentesten Nutznießer des Denard-Putsches, denn sie saßen im Gefängnis der Hauptstadt Moroni, als die Söldner es stürmten und alle Häftlinge befreiten. Dominic Johnson

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