Werbefrust mit Heldenbrust

Zweitklassige Unternehmen geben Millionen für erstklassige Fußballmannschaften aus. Die Wirkung ist jedoch nur sehr begrenzt  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Hamburg (taz) – Was ein richtiger HSV-Fan ist, der verehrt nicht nur seinen Fußballclub, sondern er hat auch den dazugehörigen Sponsor zu lieben. Als der HSV zu Saisonbeginn kurzerhand von der TV-Spielfilm-GmbH zum Autohersteller Hyundai wechselte, waren 11.000 eingelagerte Sporthemden mit dem Aufdruck des cineastischen Sponsors plötzlich wertlos. Hans Barske, Organisationleiter des Hamburger Sportvereins, spielt derzeit mit der Idee, Näherinnen einzustellen, um das Emblem des neuen Werbepartners auf die Alt-Trikots aufzunähen.

Bei den Profispielern ist die Umrüstung natürlich längst erfolgt. Immerhin zahlen Unternehmen zwischen einer und sechs Millionen Mark, damit ihr Logo auf einer erstklassigen Fußballerbrust prangt. Überraschenderweise befindet sich aber der Großteil der an Fußball-Werbung interessierten Wirtschaft lediglich in den Niederungen der 2. Busineß-Liga! So startet Hyundai, der neue HSV- Sponsor, hierzulande aus dem geschäftlichen Niemandsland. Und die Firma Zehnder, Hauptsponsor der Überraschungsmannschaft aus Freiburg, ist zwar Marktführer bei „Sonderwärmekörpern“, aber mit 570 Beschäftigten doch ein mittelständischer Betrieb wie er im Lehrbuch steht. Nur auf der blaugestreiften Dienstkluft von Bayern München prangt der weißliche Schriftzug von Opel – immerhin ein wirtschaftliches Schwergewicht, auch wenn BMW, Porsche oder Mercedes besser zu dem bayerischen Protz-Verein gepaßt hätten.

Auch andere Branchenriesen, wie Siemens, die Allianz oder die Deutsche Bank sucht man in der Bundesliga vergeblich. „Fußballwerbung paßt nicht zur Bank“, heißt es dazu definitiv aus Frankfurt. Auch die Allianz, Europas größter Versicherungskonzern, hat ein einleuchtendes Argument für seine Fußballabstinenz: „Bekannt sind wir genug“, ist sich Werbechef Hartmut Bierer sicher (stimmt: 91 Prozent!).

Das Bild der Bundesliga bestimmen statt dessen Bierbrauer, Molkereien und kleinere Versicherungen. „Seit 13 Jahren sind wir treuer Partner des FC St. Pauli – eine Beziehung, wie es sie im deutschen Profifußball nur einmal gibt!“, wirbt der Deutsche Ring in ganzseitigen Anzeigen. Trotz dieses Ausdauerrekordes zählt das Versicherungsunternehmen weiterhin nicht zu den Top 20 der Assekuranz. Gleichwohl habe sich die Ballwerbung gelohnt. Pressesprecher Heiko Floeter: „Der Nutzen ist so überwältigend, daß ihn keine Mediazahlen belegen müssen.“

Allerdings, so räumt Floeter ein, sei der Bekanntheitsgrad des Unternehmens nur „relativ konstant“ geblieben. Zu denken sollte ihm auch geben, daß seine Versicherung bei Fußballmuffeln (50 Prozent) immer noch bekannter ist als bei Anhängern (40 Prozent).

Vor der neuen Saison rückte der Deutsche Ring freiwillig in die hintere Werbereihe. Auf der Hemdbrust der auch sportlich aufgestiegenen St.-Pauli-Kicker wird jetzt für den Würstchenhersteller Böklunder geworben. Der soll dafür 1,6 Millionen Mark bezahlen; dagegen hatte der Deutsche Ring nur eine knappe Million geboten. Zu wenig. Schuld sei die Philosophie des Versicherers: „Man muß mit den Geldern der Versicherten verantwortungsvoll umgehen“, betont St.-Pauli-Fan Floeter. Eine Million Mark sei die „moralische Schamgrenze“.

Unberührt von solchen Bedenken überweist die Wiesbadener DBV-Versicherung für die laufende Spielzeit 2,5 Millionen Mark an Werder Bremen. Das Geld sei, wie schon in der jüngeren Vergangenheit, gut angelegt, befindet DBV-Sprecher Hartmut Gramberg. Zwar kann auch er keine harten Mediazahlen vorweisen, aber immerhin sei das DBV-Emblem im zurückliegenden Jahr auf etwa 10.000 Pressefotos „klar erkennbar“ gewesen. Daher sei die Werder-Brust im Vergleich zur konventionellen Print- und TV-Werbung ausgesprochen preiswert!

Für die Effizienz der Fußball- Werbung schwärmt auch Ulrich Sieber, Leiter des Sportsponsoring der Continentale-Versicherung, die den deutschen Fußballmeister Borussia Dortmund bewirbt. Laut Fußball-Fachblatt Kicker kostet die Werbung auf den schwarz-gelben Plastikhemdchen immerhin 3,5 Millionen Mark. Offiziell bestätigen will Sieber diese Summe aber nicht: „Solche Zahlen sind geheim, nicht nur bei uns.“ Zudem fließen die Gelder erfolgsabhängig: „Gewinnt Borussia den Europacup, wird es für uns teurer.“

Immerhin hat Continentale- Mann Sieber harte Erfolgsfakten zu bieten: „Unser Bekanntheitsgrad hat sich verdoppelt; bei Sportinteressierten gar verdreifacht!“ – allerdings nur auf schlappe 56 Prozent.

Eine Langzeitstudie der Deutschen Sporthochschule macht den werbenden Unternehmen allerdings wenig Hoffnung. Von den über 3.000 Produkten, die pro Jahr via Sportberichte in deutsche Wohnstuben eindringen, bleiben der Studie zufolge bestenfalls zehn in Erinnerung der Kundschaft. Klarer Schluß: Sponsoring ist vergeblich.

Schuld am Sponsoren-Desaster seien die große Zahl der Werber und die mangelnde Professionalität der Werber selbst. Häufig werde „emotional und spontan“ entschieden, beklagt die Hochschulstudie. Es mangele an durchdachten Konzepten. Nur wenige Sponsoren gingen so zielgerichtet vor wie der Autokonzern Opel. Weil in den ostdeutschen Bundesländern mangelnde Bekanntheit vermutet wird, wird der Münchener Verein in den kommenden Jahren seine spätsommerlichen Trainingslager in den Ländern aufschlagen müssen.

Freundlicher ist die Prognose einer Studie der Ufa, einst Inhaberin der Bundesliga-TV-Rechte. „Die Fußball-Leidenschaft bietet ein riesiges Zielgruppenpotential“, betont Ufa-Expertin Petra Bauer. 39 Millionen deutschsprechender Zeitgenossen sind mehr oder weniger interessiert am runden Leder.

Aber auch die Ufa-Studie verschweigt nicht die Image-Probleme der Fußballwerbung. So fanden etwa 65 Prozent der Befragten zwar Bierwerbung passend zum Fußball, aber nur eine kleine Minderheit (23 Prozent) spricht der Werbung von Banken und Versicherungen eine „Fußballaffinität“ zu. Ein Drittel der Fußballfans stört sich sogar generell an den geschäftigen Sponsoren. Offensichtlich wird dabei kein Unterschied zwischen Trikot- und Bandenwerbung im Stadion und den lästigen Fernsehwerbespots in der Halbzeitpause gemacht. Rund die Hälfte der Anhänger wären sogar bereit, höhere Eintrittspreise zu bezahlen, wenn dafür das Stadion nicht mit Bandenwerbung verunstaltet wäre.