■ Lebensbrüche
: Wie ist es, wenn man in die Klapsmühle muß?

Vor zehn Jahren bekam Sylvia Mosmann während der Trennung von ihrem Freund plötzlich schlimme Angstzustände und mußte sich ein Jahr in einer psychiatrischen Klinik behandeln lassen. Heute lebt die 36jährige Übersetzerin mit Mann und Kind in Berlin.

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Wie ist das, wenn man in einer Klapsmühle landet?

Das kann in unserer Gesellschaft ganz schnell gehen. Ich konnte plötzlich nicht mehr allein sein. Wenn das letzte Mitglied meiner WG zur Tür heraus war, glaubte ich selbst, ich verschwinde. Ich schaute in den Spiegel, um mich meiner selbst zu vergewissern. Das Bild, das ich da sah, war mir aber plötzlich total fremd. Ich löste mich auf.

Wahnsinn!

Nicht ganz. Eher so eine Vorform. Denn ich wußte ja, wie ich heiße und so. Aber ich mußte mich mit immer den gleichen Angstgedanken beschäftigen.

Wie reagierten denn deine FreundInnen?

Ich konnte meinen Zustand natürlich nicht verbergen. Und dann werden die Leute um einen herum plötzlich sehr unsicher. So die Angst vor einem Examen oder davor, daß einen der Freund verläßt, da hören alle zu. Aber wenn man sich tagelang mit der Idee beschäftigt, wie unendlich das Universum doch ist, daß es da keine Grenze gibt, dann ist das den Leuten unheimlich. Ich will deswegen auch nicht, daß mein richtiger Name hier auftaucht, wegen der Stigmatisierung.

Wie kamst du in die Klinik?

Ich habe bei einem Psychotherapeuten eine Behandlung angefangen und der hat mich sicherheitshalber in eine Klinik geschickt, in der aber nur wenig Medikamente verabreicht wurden.

Klapsmühlen müssen doch fürchterlich sein?

Nee, das war eine Klinik mit gemischtem Publikum. Ich galt als Borderliner. Aber da waren auch viele wirklich Verrückte mit härteren Diagnosen. Von denen habe ich am meisten gelernt.

Das hört sich romantisch an.

Ist es aber nicht. Wenn ich wirklich große Angst hatte, bin ich zu einem schizophrenen Bildhauer gegangen, der mir immer sagte, ich wolle eine Kernverschmelzung, das sei mein Problem. Ich tauschte mit ihm Ringe, wenn ich mich aufzulösen drohte. Ein anderer Freund sprach so gut wie gar nicht. Da ich immer eine fürchterliche Labertrine war, gab mir das plötzlich Halt, nur durch Gesten, gemeinsame Spaziergänge Kontakt zu fühlen.

Hat die Therapie geholfen?

Das ging nur sehr allmählich und dauerte Jahre auch noch nach dem Klinikaufenthalt. Die wirklich guten Sachen in der Therapie passieren ja eher zufällig. Die teuren Therapien sind oft nichts anderes als Leute dafür zu bezahlen, daß sie einem zuhören.

Hast du dich verändert?

Ich bin nicht mehr so elitär wie früher. Ich habe in der Klinik erlebt, wie sich plötzlich eine Mitpatientin am Tag in drei verschiedene Personen verwandelte, mal war sie das arme Lieschen, dann die Verführerin, dann eine große Malerin. So sind die Menschen nämlich wirklich, alle sind zu allem fähig. Die Einordnung in Hierarchien, ob begabt, unbegabt, reich oder arm, sind nur kümmerliche Versuche, diese Vielfalt zu bändigen.

Hast du heute noch Ängste?

Wenn ich im Wald spazieren gehe, brauche ich immer einen kleinen Spiegel in der Handtasche. Manchmal habe ich auch Angst vor großen Flächen, dann muß ich meine Sonnenbrille aufsetzen. Außerdem trage ich immer ein paar Tranquilizer mit mir rum. Das Haltbarkeitsdatum ist schon abgelaufen (lacht). Ist nur für die Symbolik. Aber Sie glauben gar nicht, wie wichtig Symbole sein können.!

Interview: Barbara Dribbusch