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Kein „heißer Herbst“

■ Der Weidedamm ist jetzt so kahl, daß man sich zwischen Hemmstraße und Torfkanal zuwinken kann. Die letzten drei BewohnerInnen haben nur noch eine kurze Gnadenfrist

Der Stichtag ist da: Seit 1. Oktober wird geräumt, gerodet und planiert. Dann fällt endgültig, was vom ehemaligen Parzellengebiet am Weidedamm noch übrig ist: der Sonnenhut, der vor den zerstörten Lauben am Köhlerweg blüht, und die letzten bewohnten Parzellenhäuschen. Viele sind es nicht mehr. Täglich brechen BewohnerInnen ihre Lager ab und ziehen weg. Nur wenige gebärden sich noch vollmundig, haben wie Heinz-Hermann die Mistforke an der Tür stehen und schwingen sie auch mal gegen Fremde. Hilflos. In ruhigen Momenten sagen sie selbst: „Das bringt ja nichts. Gehen muß ich doch.“

Wenn sie das Gebiet verlassen, kommt die Mondlandschaft. In vier Monaten, so Ullrich Höft von der Gewoba, soll das Gelände vollends erschlossen sein. Der „heiße Herbst“, den man bei der Wohnungsbaugesellschaft noch im Sommer befürchtete, scheint auszubleiben.

„Den letzten Bauwagen habe ich hier am Freitag rausgezogen“, berichtet Sicherheitschef Frank Gaida. Er bewacht das bisher gerodete Gebiet hinter einem dornigen Metallzaun. Dieses Gebiet ist so kahl, daß man sich zwischen Hemmstraße und Torfkanal zuwinken kann. Drei Menschen leben hier noch. Die werden von den Sicherheitsmännern gleich mit geschützt – vor allzu neugieriger Öffentlichkeit etwa: „Ich weiß ja nicht, ob die mit Ihnen reden wollen“, so der Sicherheitsmann. Aber da kommt Oli angeradelt. Er ist auf dem Weg nach Hause, will „die letzten Tage noch genießen.“ Irgendwo zwischen den Kratern muß eine kleine grüne Insel liegen.

Am Wochenende geht sie unter. Dann ist auch für Wilma, Oli und Heinz Zapfenstreich. Sie werden wegziehen. JedeR woandershin. „Ich ziehe nach Bremen Nord in eine Wohnung, gehe arbeiten, und dann will ich ins Ausland“, sagt Oli. Ihm reicht es vorerst, immer ohne Strom und Wasser zu leben. „Aber trotzdem, die letzten zwei Jahre hier haben allen was gebracht. Jedem was anderes.“

Ein paar Tage herrscht noch „Baustopp“. Diese Gnadenfrist hat der Sicherheitschef eingefädelt, heißt es. „Damit die letzten Tage Ruhe ist.“ Wer gleich an Taktik denkt, kann nur von außen kommen und hat von Abschiedsschmerz keine Ahnung – oder kennt den alten Heinz nicht. „Für den wird es schrecklich“, prognostizieren der oberste Sicherheitschef und der vorletzte Besetzer einmütig. „Ich bin ja erst 25“, rechnet Oli. „Der Heinz hat hier über 30 Jahre gewohnt. Das ist länger als ich lebe. Wie soll ich mir vorstellen können, was das für ihn bedeutet.“ Frank Gaida nickt. Er kennt auch die Geschichte von der über 90jährigen „Oma“ Mahler. „An dem Tag, als der erste Bagger anrollte, ist sie gestorben.“

27 Katzen, die Hinterlassenschaft von Oma Mahler, haben den Sicherheitsmann und den Besetzer am Ende zusammengebracht. „Oli hat mich ein paar Nächte gekostet“, sagt Gaida. Danach war zwischen dem Jungen und dem Älteren viel mehr als die Rettung der heimatlosen Katzen geklärt. „Gewalt erzeugt Gegengewalt“, sagt Gaida. Oli läßt auf ihn nichts kommen – und beide nicht auf den Findorffer Polizisten Günther Neuhaus. Oli: „Daß ich mal von einem Bullen sagen würde, der ist ein geiler Macker, hätte ich nie gedacht.“

So weit gehen die zehn Frauen vom Hagenweg nicht – „auch wenn die Findorffer Polizei netter ist als die Waller“. Mit der haben sie zu tun, seit sie im September vom Weidedamm an die Waller Feldmark zogen, statt die Bauwagen leer an den vorgesehenen Stellplätzen beim Güterverkehrszentrum oder an der Hafenrandstraße zu parken. „Wir wollen uns nicht an den Stadtrand drängen lassen“, sagen sie. Es müsse in einer Großstadt doch möglich sein, auch im Bauwagen zu wohnen.

Diese Meinung bekommt mittlerweile Unterstützung. Neben „einer stillschweigenden Duldung durch Inneres“, auf die sie setzen, bemühen sich die Frauenbeauftragte und die Bremer Frauen Liste um die Bauwagenfrauen. Auch der Waller Ortsamtsleiter Bernd Peter zeigt Verständnis für „den Wunsch dieser Generation, anders zu leben“. Es sei eine Unterlassungssünde, wenn gutbezahlte SenatorInnen und Staatsräte die inhaltliche Auseinandersetzung darüber vermieden, meint er. ede

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