„Nicht schuldig“. Simpson ist frei

■ Nach nur vier Stunden Beratung sprach die Jury ihr Urteil über den US-Footballstar. Jubel vor dem Gericht

Los Angeles (AFP/taz) – In einem der spektakulärsten Prozesse der Justizgeschichte ist der ehemalige US-Footballstar O.J Simpson am Dienstag in Los Angeles vom Vorwurf des Doppelmordes freigesprochen worden. „Nicht schuldig“ urteilten die zwölf Geschworenen nach nur vierstüdniger Beratung und sprachen den 48jährigen damit von dem Vorwurf frei, im Juni 1994 seine Ex-Frau Nicole Brown Simpson und deren Bekannten Ronald Goldman getötet zu haben. Sie folgten damit dem Antrag der Verteidigung, die Simpson als Opfer einer rassistischen Verschwörung dargestellt hatte. Die Anklage hatte eine Verurteilung wegen Mordes gefordert. Die Angehörigen der Opfer brachen bei der Urteilsverkündung in Tränen aus. Bei Simpson, der in fast allen Stadien des neunmonatigen Prozesses wie versteinert gewirkt hatte, löste sich die Spannung am Ende der rund zehnminütigen Gerichtszeremonie in einem leichten Lächeln. Dann umarmte er einen seiner Verteidiger. Vor dem Gerichtsgebäude wurde das Urteil mit ausgelassenem Jubel aufgenommen.

Freude herrschte auch in der schwarzen Gemeinschaft von Los Angeles. Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die Polizei in Los Angeles mit einem massiven Aufgebot das Gerichtsgebäude abgeriegelt. Die US-Regierung hatte der Stadt im Fall von Unruhen bei einem Schuldspruch Hilfe angeboten.

Die Verlesung der Entscheidung der Jury kurz nach 10.00 Uhr Ortszeit (18.00 Uhr MEZ) wurde von allen US-Fernsehsendern übertragen. Experten rechneten damit, daß die Zuschauerquote mit 130 bis 135 Millionen Fernsehzuschauern 30 Prozent höher liegen würde als üblicherweise zu dieser Zeit. Auch US-Präsident Bill Clinton verfolgte die Urteilsverkündung.

Simpson, der Junge aus dem Ghetto, war eine Identifikationsfigur für viele Schwarze. Nach seiner Sportkarriere war er populär als Werbeträger, Nebendarsteller in Hollywood-Filmen und als Sportmoderator. Simpson wurde steinreich, lebte in einem der vornehmsten Viertel von Los Angeles, wo er eine Villa mit Swimmingpool und Tennisplatz bewohnte. Er fuhr Ferrari und Rolls-Royce. 1977 traf er in einem Nachtclub die 18jährige blonde Nicole Brown, die dort als Bedienung arbeitete. Die beiden heirateten 1985 und bekamen zwei Kinder. Sieben Jahre später kam es zur Scheidung. Zuvor soll O. J. seine Frau mehrfach drangsaliert und geschlagen haben.

Der Prozeß gegen Orenthal James Simpson war das größte Spektakel in der amerikanischen Justizgeschichte. Jeder Prozeßtag wurde live über mehrere Fernsehstationen übertragen. Ein Richter, der auch mal weinte, ein versteinerter Angeklagter, coole Anwälte und eine emotionale Staatsanwältin waren ein dreiviertel Jahr lang tägliche Gäste in amerikanischen Haushalten. Der Prozeß war ein lukratives Geschäft für die meisten Beteiligten: Simpson konnte über Buchveröffentlichungen und Fan-Postkarten seine horrenden Anwaltskosten abdecken, die Verteidiger veröffentlichten Tips und Tricks und ließen sich ihre Interviews bezahlen, die Geschworenen können ab sofort kassieren. Die Fernsehsender sahnten zusätzliche Werbemillionen ab: Allein der Nachrichtensender CNN bezifferte seine Prozeßeinnahmen auf 45 Millionen Mark. Den 30-Sekunden-Spot nach der Urteilsverkündung ließ sich der Kunde 100.000 Dollar kosten. Es war Trans World Airlines.