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Fishtown segelt auf Große Koalition zu

■ Koalitionspoker in Bremerhaven: CDU will nun mit SPD sprechen, weil die Grünen partout nicht mit der AfB kooperieren wollten / Teiser: „An den Inhalten hat es nicht gelegen“

Der Traum von einer schwarz-grünen Kooperation in Bremerhaven ist ausgeträumt. Am Dienstag abend haben sich der CDU-Kreisvorstand und die Bremerhavener Mitglieder des Landesvorstandes mit zehn zu sieben Stimmen dafür entschieden, Kooperationsgespräche mit der SPD zu führen. Die Grünen fielen durch, weil sie sich bis zuletzt dagegen verwahrt hatten, mit der Wählerinitiative Arbeit für Bremen und Bremerhaven (AfB) zusammenzuarbeiten. Eine große schwarz-rote Kooperation nach dem Muster Bremens wird damit immer wahrscheinlicher.

„An den Inhalten hat es nicht gelegen“, betonte Michael Teiser, CDU-Bundestagsabgeordneter und Verhandlungschef, gestern gegegenüber der taz. „In 80 Prozent der Fragen stimmten wir mit den Grünen überein. Bei der SPD war das ganz genauso.“ Das machte die Entscheidung für die CDU umso schwerer.

Bis weit nach Mitternacht saßen die Christdemokraten in einem Bremerhavener Hotel am Verhandlungstisch und pendelten zwischen rot und grün. Die Abneigung der Grünen gegen die AfB, auf die die Christdemokraten nicht verzichten wollten, gab schließlich den Ausschlag. „Mit einer Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung von zwei Stimmen wäre das die knappste aller Möglichkeiten gewesen“, gibt Teiser zu bedenken. „Außerdem würden wir mit den Grünen nach der Änderung der Stadtverfassung keine Mehrheit in den Ausschüssen zusammen bekommen.“

Derzeit werden die Ausschüsse nach dem Zählverfahren d'Hondt (Sitzverteilung nach Reihenfolge der Höchstzahlen) besetzt. In der nächsten Legislaturperiode setzen sich die Ausschüsse allerdings nach dem Prozentsatz der Stimmen zusammen, den die einzelnen Fraktionen bei der Wahl erhalten haben (Zählverfahren Hare-Niemeyer). „Das hat zur Folge, daß wir in der Stadtverordnetenversammlung die Mehrheit hätten, nicht aber in den Ausschüssen“, rechnet sich Teiser aus. Im Zweifelsfall würde es „fünf zu fünf stehen“ stehen. Die Stimme des jeweiligen Dezerneten wäre das Zünglein an der Waage. „Und das war uns einfach zu riskant.“

Ein Argument, dem sich auch Manfred Schramm, Sprecher der Grünen-Delegation, nicht verschließen will. Dennoch ist er über das Abstimmungsergebnis der CDU „enttäuscht“. Er hätte gern mit den Christdemokraten kooperiert. „Wir sind fest davon ausgegangen, daß es noch eine dritte Verhandlungsrunde gibt. Man soll sich seiner Sache eben nicht zu sicher sein“, räumt der Bürgerschaftsabgeordnete zerknirscht ein. „Ich persönlich hätte mir durchaus vorstellen können, mit der AfB zu verhandeln. Aber wir hatten kein Mandat, der CDU das zuzusichern. Ich versuche schon den ganzen Morgen Herrn Teiser zu erreichen.“

Doch Teiser war für diese Nachricht nicht empfänglich. „Ich habe heute morgen schon zu meiner großen Verwunderung gehört, daß Herr Schramm nun doch zu einer Zusammenarbeit mit der AfB bereit sein soll. Dafür ist es jetzt aber erstmal zu spät.“ Am nächsten Dienstag würde sich die SPD auf der Unterbezirks-Delegiertenversammlung den „Freifahrtschein“ für die Verhandlungen mit der CDU holen. Wenn der Unterbezirk der angestrebten Verlobung zwischen schwarz und rot seinen Segen gibt, sitzen die Delegationen am Dienstag wieder am Verhandlungstisch. „Sollten wir dann an irgendeinem Punkt nicht weiter kommen, könnte es sein, daß wir wieder auf die Grünen zukommen“, sagt Teiser.

Für diesen Fall wollen die Grünen am Freitag auf einer Mitgliederversammlung darüber diskutieren, ob sich nicht doch vorstellen könnten, mit der AfB zusammenzuarbeiten. Die AfB würde die Grünen in der Gewinnerkooperation (CDU, AfB, Grüne) nämlich mit offenen Armen empfangen. „Ich finde es bedauerlich, daß die Grünen nicht mit uns kooperieren wollten“, betont Helmut Kuhlmann, Spitzenkandidat der AfB. Seiner Meinung nach wäre die Gewinnerkooperation „genau das richtige“ für Bremerhaven gewesen. „Nur 49 Prozent der Bürger sind zur Wahl gegangen. Es wäre die bürgernahste Lösung gewesen, eine Kooperation zu gründen, aus jenen, die bei dieser Wahl keine Quittung bekommen haben“, wagt er einen Seitenhieb auf die Bremerhavener SPD.

Die setzt derzeit alles daran, daß es zu einer Großen Koalition kommt. „Die Bürger dieser Stadt müssen sich wieder auf stabile Mehrheitsverhältnisse verlassen können“, fordert ihr Spitzenkandidat Melf Grantz. Nur in der Bildungspolitik gebe es zwischen den Sozis und den Christdemokraten „gravierende“ Meinungsverschiedenheiten. Ansonsten sei man sich weitgehend einig. Doch Grantz hat noch etwas anderes im Auge, wenn er an die Große Koalition denkt. „Wir wollen die AfB absägen“, gibt er unumwunden zu. „Das sind nichts weiter als Möchtegern-Ersatz-Sozialdemokraten.“ kes

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