Die Kleinen: Mit blankem Busen über die Barrikade
■ Bei der Bürger- und Stadtpartei (BSP) tummeln sich Taxifahrer, Schaffner und Krankenschwestern
Ein „überzeugter Sozialdemokrat“ sei er früher gewesen. So wie Papa, der war Schweißer. Bei seinen Eltern in Bonn, da hätten schon mal Willy Brandt oder Herbert Wehner vorbeigeschaut. Eine Familie aus sozialdemokratischem Urgestein sozusagen. Aber irgendwann ging Bernd Ramm die „horizontale und vertikale Verkrustung der SPD“ auf die Nerven. Gegen „Minderheiten wie Frauengruppen“ hatten „Leute mit Profil“ keine Chance, fand der Kommunalpolitiker, der „nichts gegen Stammtischpolitik“ hat. Aufhalten wollten ihn die Genossen jedenfalls nicht, als er 1993 die Bürger- und Stadtpartei Berlin (BSP) gründete.
„Wir sind keine Protestpartei“, meint Bernd Ramm. Unangefochten führt er seine 300 Parteimitglieder durch den Wahlkampf, hat 37 Direktkandidaten aufstellen und mit 10.000 giftgelben Plakaten die Stadt zukleistern lassen. „Eine großartige Leistung“, findet der 54jährige Nuklearmediziner aus dem Weddinger Rudolf-Virchow-Krankenhaus.
Busfahrer und Leute von der Stadtreinigung, Taxifahrer und Krankenschwestern scharen sich um den ehrgeizigen Parteichef. „Mit Gefühl und Härte“, so der sinnige Wahlspruch, will er aufräumen in Berlin. Ein Wahlplakat zeigt eine barbusige Frau, die mit Kinderwagen in der Hand über eine Barrikade aus Reifen springt. Doch die 40 Seiten seines Wahlprogramms sind dröge bis haarsträubend, eine schwerverdauliche Mischung aus Altbackenem und Aufgewärmtem: Arbeit für alle, transparentere Politik, hier ein bißchen Öko, da ein kleiner Tunnel, Law and order auf der Straße – bürgernahe Politik heißt so was wohl.
Natürlich sollen Wohnungen her und Arbeitsplätze auch. „Jede Menge Geld“ will Ramm in Schulen stecken und unbedingt die Umwelt schützen. Aber nicht wie die Grünen, die findet er „sektiererisch und katastrophal“. Weil sie die Gentechnik ablehnen und „Deutschland zum Entwicklungsland“ machen wollen. Fortschritt muß sein. Und nicht zu vergessen: die Stadt muß endlich sicherer werden. Liberaler Jugendstrafvollzug, Prostituierte aus dem Osten, vietnamesische Zigarettenhändler – weg damit, meint der BSP-Boß.
Daß „jede Menge Reps“ in die Partei drängten, leugnet der Landesvorsitzende nicht. Inzwischen sollen sie Parteiverbot haben. Doch was die Schönhuber-Dissidenten anlockte, steht immer noch im Programm. „Kriminelle“ heißt es da, „finden in Berlin einen unersättlichen Nährboden für erfolgreiches Handeln.“ Die BSP empfiehlt: mehr Ordnungshüter „mit Hund“, „Distanz- und Markierungswaffen für die Polizei“ und die „Errichtung von festen Wachen in Gegenden mit hoher Kriminalität“. Warum nicht gleich sprengen, die kritischen Zonen?
Allen Nörglern zum Trotz: Ramm ist „richtig stolz“ auf seine Truppe. Nur ärgerlich, findet er, daß bislang keiner richtig Notiz davon genommen hat. Woran sich hoffentlich nichts ändern wird. Constanze v. Bullion
wird fortgesetzt
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