Idylle kann Idylle bleiben

■ Neue Umweltrichtlinie der EU: Auch künftig kein Rabatt bei der Genehmigung von Industrieanlagen in freier Natur

Berlin (taz) – Mit vereinten Kräften haben Umweltverbände, der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und die Bundesregierung einen umweltpolitischen Rückschritt bei der IVU-Richtlinie der Europäischen Union verhindert. IVU steht für „integrierte Verminderung und Vermeidung von Umweltverschmutzung“ bei der Genehmigung von Industrieanlagen. Wenn der EU-Ministerrat heute in Brüssel einen „gemeinsamen Standpunkt“ festlegt, sind der Richtlinie die schlimmsten Zähne gezogen. Unter dem Strich überwiegt sogar das Positive.

Auslöser für eine Regelung dieser Genehmigungsverfahren auf EU-Ebene war – wie meist in der Europäischen Union – der Versuch, Wettbewerbshindernisse durch unterschiedliche Standards zu beseitigen. Vor zwei Jahren präsentierte die Kommission deshalb einen Vorschlag für einheitliche Anforderungen an die Genehmigungsverfahren von Kraftwerken, Chemieanlagen und ähnlichem.

Weitgehend an das britische Recht angelehnt, wurde „integrierter Umweltschutz“ proklamiert. Wenn etwa Schadstoffe aus der Abluft gefiltert werden, dann aber aufwendig deponiert werden müssen, sei dies nicht sinnvoll, so das Standardbeispiel der Kommission. Deshalb sollten die beteiligten Behörden eng zusammenarbeiten.

„In Deutschland macht man das natürlich auch so, auch wenn es nicht ausdrücklich im Gesetz steht“, hieß es schon damals im Bonner Umweltministerium. Doch der schön klingende englische Ansatz hatte einen Pferdefuß. Die Briten begnügen sich nämlich traditionell damit, Umweltqualitätsziele festzulegen, ohne gleichzeitig Vorsorge zu betreiben.

Konkret heißt dies: Wer in unberührter Natur produziert, kann viel mehr Schadstoffe absondern, als im stark belasteten Ballungsgebiet zulässig wäre. Diese Regelung hatte auch die Kommission in ihren Vorschlag übernommen. Dieser Umweltrabatt brachte aber nicht nur NaturschützerInnen auf die Palme. Auch der BDI sah Standortnachteile für die dichtbesiedelte Bundesrepublik.

Nach zweijähriger Wühlarbeit der grünen und grauen Lobbyisten wurde hinter den Kulissen im Juni ein Kompromiß gefunden, der insgesamt ein „hohes Schutzniveau“ vorschreibt, zum Beispiel durch die Anwendung der besten verfügbaren Technik. „Damit kann man leben“, so Anja Köhne vom Deutschen Naturschutzring. Konkrete Grenzwerte für Wasser und Luft werden allerdings (noch) nicht vorgeschrieben. Hieran will die EU in Zukunft arbeiten.

Wenn auch das Europäische Parlament die verbesserte Richtlinie passieren läßt, was erwartet wird, dann kann sie schon Anfang nächsten Jahres in Kraft treten. Für Deutschland hält die Richtlinie dann immer noch einen besonderen Clou bereit. Für mehr Vorhaben als bisher wird eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben. Manche derzeit in Bonn diskutierten Deregulierungspläne könnten hieran scheitern. Christian Rath