piwik no script img

Wer ist hier Schwein?

Mit womöglich mafiosen Machenschaften alimentiert Krefeld sein konkursbedrohtes DEL-Eishockey  ■ Von Bernd Müllender

Krefeld (taz) – „Herr Frank Sills ist bei uns als Eishockeyspieler beschäftigt. Wir bestätigen, daß er ein monatliches Gehalt von DM 1800,– brutto bezieht.“ Dieses Schreiben mit Datum vom 3. September 1991 legte die Geschäftsführung des Eishockey-Erstligisten Krefelder EV für seinen frankokanadischen Torjäger François Sills beim Amt für Wohnungsförderung vor. Der Sachbearbeiter bekam augenblicklich Mitleid, und der notleidende Crack hatte umgehend seine preisgünstige Sozialwohnung.

Natürlich ist die Gehaltsangabe von kühner Dreistigkeit. Branchenkenner gehen davon aus, daß Eishockeycracks hierzulande zwischen 10.000 und 30.000 Mark monatlich verdienen, brutto für netto meist. Dabei sind übliche „Nebeneinnahmen“ noch nicht eingerechnet.

Sills ist einer von (mindestens) sechs Spielern, die in Krefeld von 1989 bis zum Frühjahr 1995 mit dieser Art von Amtssponsoring und gelogenen Gehaltsbescheinigungen Sozialwohnungen beziehen konnten. Nicht irgendwelche Wohnungen: Es waren jeweils die besten. Stürmer Jonny Walker bekam seine Herberge auf der Stelle – das Liegenschaftsamt hielt sogar schriftlich fest, daß dafür keine anderen Interessenten bekannt seien. So als sei Krefeld von der eklatanten deutschen Wohnungsnot unberührt.

Der Fall von Coach Mike Zettel ist besonders kühn. Dieser meldete Frau und Tochter (die in Kanada leben und, soweit bekannt, Krefelder Boden in vier Jahren nie berührten) gleich mit, damit er die offenbar vorab ausgesuchte Dreizimmerwohnung bekam. Bei Zettel (Amtsformular: „Beruf: Trainer“) hatte sich der KEV beim gelogenen Einkommen verrechnet – doch der Sachbearbeiter korrigierte die Zahlen handschriftlich, bis es paßte.

Aufgedeckt wurde die Amtspatronage durch einen anonymen Anruf im Franktionsbüro der Grünen. Als die Grünen das Thema diesen Sommer erstmals im Stadtrat ansprachen, „setzte augenblicklich“, erinnert sich Geschäftsführer Harry von Bargen, „hektisches und entsetztes Getuschel bei SPD und CDU ein“.In Ratssitzungen wird seitdem beim Thema KEV nicht mehr gestritten, sondern öffentlich gegiftet, verleumdet, beschimpft.

„Ratsherr rastet bei Debatte aus“, titelte die sonst so hockeyloyale Lokalzeitung, als CDU- Fraktionschef Wilfried Fabel dem grünen Ratsherrn Rolf Rundmund zurief: „Sie sind ein Schwein!“ Am Donnerstag unterstellte Fabel gar grüne Mittäterschaft am Wohnungsdeal, schließlich stammten die Vorfälle aus den Jahren rot- grüner Ratsmehrheiten.

Kaum jemand in Krefeld bezweifelt, daß das Amtssponsoring von oben gedeckt war – entweder amtsintern und/oder über die politisch Verantwortlichen. Welcher Beamte würde schon seine Stelle und Pension wegen verarmter Eishockeyspieler aufs Spiel setzen? Fischer indes nennt solche logischen Rückschlüsse „Schäbigkeit“ und „allerunterste Schublade“. Fischer und Fabel geben der FiFa- Connection von Krefeld den Namen.

Die enge Verquickung von Amts- und Mandatsträgern mit dem KEV Pinguine ist augenfällig: CDU-Chef Fabel ist gleichzeitig KEV-Geschäftsführer. Er und Fischer gelten seit vielen Jahren als intime Puckförderer Der Chemie- Industrielle und CDU-Schatzmeister Dr. Dolf Stockhausen (Pampers) hat Sitz im KEV-Vorstand, Gattin Maria ist CDU-Ratsfrau. Pressesprecher der Stadt Krefeld und des Eishockeyclubs ist in praktischer Personalunion der CDU- Funktionär Hans-Joachim Matthias.

Sie alle sehen die Grünen mit ihren Enthüllungen verantwortlich für den aktuellen Niedergang des Vereins: Am Dienstag waren die Tribünen gerade mal noch halb voll – und das gegen die Düsseldorfer EG.

CDU und Teile der SPD lehnen einen Untersuchungsausschuß im Rat brüsk ab. CDU-Oberstadtdirektor Vogt wusch seine untergebenen Beamten im Stadtrat rein: „Bei der Beantragung (der Sozialwohnungen) wurde davon ausgegangen, daß die Verdienstbescheinigungen des KEV inhaltlich richtig sind.“ Die Kripo Krefeld sieht das anders: Sie beschlagnahmte jetzt die amtlichen Unterlagen (Aktenzeichen 9 Js 345/95). Verdacht: Vorteilsnahme im Amt, Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben.

Werden Nachzahlungen an Finanzamt und Krankenkassen erforderlich, wäre das das endgültige Ende des Skandalvereins. Der KEV steht mit 113.000 Mark momentan bei der Stadt in der Kreide, mit rund 1,5 Millionen bei der Sparkasse und einer Million bei der stadteigenen Bau-GmbH. Derzeit laufen Vergleichsverhandlungen über die immensen Altschulden (gesamt: mindestens sieben Millionen). Im Gespräch ist ein Verzicht der Gläubiger auf 65 Prozent. Die Stadt denkt, so Kämmerer Küper (ebenfalls CDU), über einen „Totalerlaß im Sinne des Eishockeys“ nach.

Als KEV-Chef verkündete Wilfried Fabel am Donnerstag neue Sparmaßnahmen von 600.000 Mark, man müsse sich „der Realität anpassen“. Verwundert nimmt die Öffentlichkeit zur Kenntnis, wieviel Luft im Etat offenbar noch vorhanden ist.

Spötter schlagen schon vor: Das Sozialamt möge gleich die existenzbedrohend niedrigen Spielergehälter übernehmen. Der Grüne Rundmund sagte am Donnerstag im Stadtrat, er habe Informationen, nach denen die bislang aufgedeckten Machenschaften „nur die Spitze des Eisberges“ seien. In Wahrheit seien „noch ganz andere Dinge gelaufen“. Man forsche weiter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen