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Arbeitsamt: Kladderadatsch droht

■ Jeder zehnte Bremer Jugendliche in diesem Jahr ohne Ausbildungsplatz

Christian Hawel wurde regelrecht böse. „Wenn heute nicht ausgebildet wird“, wetterte der Direktor des Arbeitsamtes Bremen auf einer gestrigen Pressekonferenz, „dann haben wir in drei Jahren den Kladderadatsch da.“ Der Grund für seine Verbitterung liegt schwarz auf gelb vor: 407 Jugendliche, so die aktuelle Arbeitsamts-Statistik, haben 1995 in Bremen keinen Ausbildungsplatz erhalten. Eine Steigerung um 7,4 Prozent: 1994 waren 379 Stellensuchende unversorgt geblieben. Christian Hawel: „Bei uns sieht es im Vergleich zum Bund oder einzelnen Ländern leider etwas dramatischer aus.“

Die Schuldigen für die Misere scheinen schnell gefunden. Nicht die unflexiblen Kids sind es, die die traurige Quote in die Höhe schnellen lassen, sondern die Betriebe. Einmal mehr ist in den vergangenen zwölf Monaten die Zahl der Ausbildungsstellen zurückgegangen, um dramatische 10,5 Prozent auf nur noch 4.837. Immer mehr Betriebe stehlen sich als Ausbildungsverweigerer mit konjunkturellen Argumenten aus der Verantwortung. Hans-Jürgen Lüschen, Leiter der Berufsberatung: „Bundesweit sagen jetzt schon 36 von 100 Betrieben: Wir bilden nicht aus, weil es keinen Bedarf an Fachkräften gibt.“

Für Arbeitsamts-Chef Hawel eine hochgradig kurzsichtige Perspektive und ein Totschlagargument: „Wenn wir heute Ungelernte produzieren, produzieren wir automatisch zukünftige Arbeitslose.“ Als deren Hauptproduzent ist der öffentliche Dienst ausgeguckt - stolze 32 Prozent aller Ausbildungsstellen wurden im letzten Jahr gestrichen. Die Technikbranche verzeichnet ein Minus von 27,0, Textil- und Bekleidungsbranche ein Minus von 23,3 und die Ernährungsbranche einen Rückgang von 22,8 Prozent.

Was in letzterem Falle sogar plausibel aussieht: Immer weniger Jugendliche wollen nach der Schule beruflich der Kochkunst frönen, aus Schweinen Koteletts machen oder frühmorgens Brötchen backen. Stattdessen begehren sie bevorzugt einen trockenen Job im Büro. 316 der insgesamt 4.695 Jungs und Mädchen, die nach einer Ausbildungsstelle Ausschau hielten, träumten von einer Karriere als Bürokaufmann bzw. -frau. Nur für 228 von ihnen ging der Traum in Erfüllung.

Von regelrechten Alpträumen werden indes die Arbeitsberater heimgesucht. Deren häufigster: Die 407 Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz bekommen schon in Bälde Zuwachs. Bereits während der Probezeiten, mutmaßt Hans-Jürgen Lüschen, verwandle sich bei manchem Jugendlichen Berufslust schnell in Berufsfrust: „Wenn eine Ausbildung am ersten eines Monats beginnt, haben wir oft schon drei Tage später die ersten Abbrecher hier.“

Nicht minder sorgenvoll blickt er auf die ausländischen Jugendlichen – sie haben im Lehrstellenpoker weiterhin die schlechtesten Karten, vorwiegend aufgrund sprachlicher Probleme oder fehlender Motivation in der Familie. Rassismus spielt Lüschen zufolge keine Rolle: „Vorbehalte gegenüber Ausländern habe ich auf Seiten der Betriebe keine festgestellt.“

Herausgefunden haben Hawel und Lüschen indes etwas anderes: Viele Jugendliche sind abenteuerlustig und reisefreudig. Die Bereitschaft, sich zu Beginn des Berufslebens im Ausland zu verdingen, bezeichnet Lüschen als „ungeheuer hoch“ - besonders England sei bei den Teenagern sehr beliebt. Zwei besonders originelle Berufswünsche anglophiler Berufsanfänger hat das Arbeitsamt denn auch befriedigen können: Ein Bremer Mädchen lernt im Auktionshaus „Sotheby's“ Tricks und Kniffe des Versteigerns. Und ein Junge auf einem Institut der besonderen Art die hohe Kunst des Butlerns... -ich

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