: Plutonium weiter per Luftpost
Wiener Atombehörde IAEO beschließt Sicherheitsrabatt für plutoniumhaltige MOX-Brennelemente. US-Amerikaner protestieren ■ Von Gerd Rosenkranz
Berlin (taz) – Plutoniumhaltige MOX-Brennelemente für Atomkraftwerke dürfen in Zukunft weiter in sogenannten Typ-B-Behältern per Luftpost umhergeflogen werden. Das entschied in nichtöffentlicher Sitzung eine technische Arbeitsgruppe der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) vorletzte Woche in Wien. Typ- B-Behälter, der berühmteste trägt den Namen „Castor“, sind für den Transport per Bahn oder Lkw ausgelegt, einen Flugzeugabsturz würden sie dagegen nicht überstehen. Der Beschluß soll im kommenden Jahr vom Gouverneursrat der IAEO endgültig bestätigt werden.
Wie berichtet (taz vom 25.9.), legt die IAEO derzeit erstmals gesonderte Sicherheitskriterien für den Lufttransport von Plutonium und anderen hochradioaktiven Stoffen fest. Die dafür vorgesehenen Typ-C-Behälter werden voraussichtlich erheblich aufwendiger und teurer als die, auch schon millionenschweren, Container aus der Castor-Familie.
Unter Führung der deutschen Delegation setzten jetzt die Länder, die an der Wiederaufarbeitung von Atommüll und am Einsatz von Mischoxid-Brennelementen (MOX) festhalten, durch, daß MOX (ein Gemisch aus Uran- und Plutoniumoxid) von der Regelung ausgenommen wird. Das Argument, mit dem die ohnehin teure MOX-Technik vor einem weiteren Kostenschub bewahrt werden soll: In der sehr stabilen, hochschmelzenden Oxidform seien nach einem Flugzeugabsturz selbst dann keine großräumigen Plutoniumkontaminationen zu befürchten, wenn der Behälter dabei zu Bruch gehe.
Der Leiter der deutschen Delegation bei den Wiener Beratungen und Abteilungsleiter im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Friedrich Wilhelm Collin, erklärte gegenüber der taz, Plutonium- und Uranoxid, aber auch andere „niedrig dispersible“ Radionuklide würden „Temperaturen von 2.000 Grad Celsius lässig aushalten“. Außerdem würden derart stabile Materialien auch nach einem Flugzeugabsturz nicht über die Grenzwerte hinaus in „lungengängiger Form“ freiwerden.
Die Stabilität des Behälters spiele also im Prinzip für das Risiko solcher Materialien beim Lufttransport keine Rolle. Deshalb könne man beim Typ-B-Behälter für den Lufttransport bleiben. Gegen eine solche Regelung votierten in Wien die Amerikaner, die selbst keine zivilen Atombrennstoffe wiederaufarbeiten und deshalb auch keine MOX- Brennelemente einsetzen. Mit der Sonderbestimmung für MOX, schimpfte letzte Woche der Präsident des privaten „Nuclear Control Institutes“ (NCI), Paul Leventhal, verhöhne die IAEO internationale Anstrengungen, den Transport von Atombrennstoffen sicherer zu machen.
Die deutsche These von der relativen Ungefährlichkeit „niedrigdispersibler“ Materialien im Fall eines Flugzeugabsturzes sei „eine wissenschaftlich nicht bewiesene Behauptung“.
Leventhal forderte die US-Administration auf, im IAEO-Gouverneursrat, in dem „die kleine Gemeinde der Plutoniuminteressenten“ gegen die weltweiten Sicherheitsinteressen stehe, für andere Mehrheiten zu kämpfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen