: Knalltüte für den VCI
■ BASF-Chef will trotz der Störfallserie den Chemie-Arbeitgeberverband führen
Frankfurt/Main (taz) – Der Vorstandsvorsitzende des Chemiegiganten BASF in Ludwigshafen, Jürgen Strube, möchte gerne Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) werden. Die Zeichen dafür standen günstig – bis Sonntag. Da kam es gleich an drei Produktionsstandorten der Badischen Anilin- und Sodafabrik und deren Tochtergesellschaft Knoll AG zu Knalleffekten: Im Stammwerk in Ludwigshafen wurden zwei Tonnen Diphyl in die Luft geblasen. Im englischen Werk der BASF zur Herstellung von Polyporophylen vernichtete ein Großfeuer die gesamten Lagerbestände. Und bei einem meldepflichtigen „Ereignis“ im Werk Minden der 100prozentigen BASF-Tochter Knoll AG entwichen rund 500 Kilogramm Salzsäuregas in die Umwelt. All das ist hochnotpeinlich für die Weltfirma BASF und ihren agilen Vorstandsvorsitzenden, der demnächst die Politik des mächtigen Arbeitgeberverbandes VCI in leitender Position (mit-)bestimmen möchte.
Mehr als zwei Jahre nach der Störfallserie bei der Hoechst AG war die „Restrisikoproduktion“ (Joschka Fischer) der chemischen Industrie in Deutschland längst kein Thema mehr. Die drei Unglücke haben dafür gesorgt, daß es wieder vorbei ist mit der trügerischen Ruhe. Dabei seien Unfälle bei der chemischen Industrie auch in den vergangenen zwei Jahren „an der Tagesordung“ gewesen, auch bei BASF, sagte etwa der Fachreferent der Landtagsgruppe der Bündnisgrünen in Rheinland- Pfalz, Franz Hork, auf Nachfrage – „nur nicht so spektakuläre wie am vergangenen Sonntag“.
Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) hat inzwischen Strafanzeige gegen BASF erstattet: Verdacht auf Verstoß gegen das Bundesimmissonsschutzgesetz, auf fahrlässige Körperverletzung und auf Verstoß gegen Sicherheitsbestimmungen. Acht Menschen mußten in Ludwigshafen ärztlich behandelt werden. Und die Bedienungsmannschaft, so ein in Ludwigshafen kursierendes Gerücht, habe sich am Sonntag abend das Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft zwischen Deutschland und Moldawien angesehen, anstatt nach der störanfälligen Anlage zu sehen.
Die Grünen im Landtag von Rheinland-Pfalz haben die Landesregierung aufgefordert, den genauen Hergang und die Ursache des Störfalls zu erkunden. Ein Sprecher von BASF machte gestern den TÜV für den Störfall verantwortlich: Ein erst kürzlich freigegebenes Ventil habe dem normalen Betriebsdruck in der Anlage nicht standgehalten. Klaus-Peter Klingelschmitt
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