Die Gebühr zahlte der Empfänger

■ Briefmarkenlose Zeit ging in Bremen 1855 zu Ende /500 Philatelisten in Bremen zu Besuch

Neugierig stöbern einige Briefmarkensammler schon am frühen Morgen in den Auslagen. Auf dem Händlermarkt am Rande des Deutschen Philatelistentages in Bremen ist alles, was das Sammlerherz höher schlagen läßt, fein säuberlich aufgereiht: Postkarten aus den „deutschen Kolonien“ stehen neben Briefen aus der amerikanisch-britischen Bi-Zone im Nachkriegsdeutschland oder denen des DDR-Vorläufers „Sowjetische Besatzungszone“ (SBZ).

Der Händler Wolfgang Böttcher ist eigens aus dem Ruhrgebiet angereist, um seine Schätze vorwiegend an den Mann zu bringen. Frauen sind bei den Briefmarkensammlern nämlich selten. Ein Umstand, den die Philatelisten ändern wollen. „Das Durchschnittsalter unserer Mitglieder liegt um die 50, und Männer sind klar in der Mehrheit“, erklärt Arnold Eilers vom Verein Bremer Briefmarkensammler. Die Frage der Nachwuchs- und Frauenwerbung steht deshalb ganz oben auf der Tagesordnung des Philatelistentreffs, der an diesem Wochenende in der Hansestadt stattfindet.

„Wir halten unsere Jahreshauptversammlung und den Deutschen Philatelistentag ab, sozusagen den Feiertag aller Briefmarkensammler“, sagt Eilers. Theoretisch kann jedes der rund 80 000 Mitglieder des Bundes Deutscher Philatelisten (BDPh) nach Bremen fahren und über Satzungsfragen und Präsidum mitbestimmen. „Es werden wohl 500 Delegierte kommen“, hofft der Funktionär.

Die Delegierten haben sich einiges vorgenommen. Außer den drängenden Nachwuchsproblemen stehen Fälschungsbekämpfung und der Sammlerschutz auf dem Programm. Neben der trockenen Verbandsarbeit erwartet die Briefmarkenfreunde aber auch ein buntes Rahmenprogramm mit dem Händlermarkt, einem Sonderpostamt und einer Ausstellung über „140 Jahre Bremer Briefmarken“.

Am 10. April 1855 endete in der Hansestadt die markenlose Zeit. Zuvor wurde die Post noch mit handschriftlichen Vermerken verschickt, wie beispielsweise der Brief eines Schulmeisters aus Oyten an seinen Minister in Bremen. Die Gebühr zahlte damals übrigens der Empfänger. Das aus dem Jahr 1677 stammende Schriftstück ist eines der Prunkstücke und zugleich ältestes Exponat der Ausstellung.

„Wir wollen eine Brücke von der Anfangszeit der Briefmarke bis zur Neuzeit schlagen“, erklärt Bremens Vereinsvorsitzender Hans-Hermann Paetow. Briefmarkenhändler Böttcher hofft wie seine Kollegen auf ein gutes Geschäft. Er selbst sammelt übrigens auch: „Aber keine Briefmarken. Ich interessiere mich mehr für den Inhalt der Briefe, besonders solcher aus dem Jahre 1945.“

Lothar Steckel (dpa)