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Europa schlecht plaziert

■ Auf den Listen für die Bezirksverordnetenversammlungen findet sich kaum ein Immigrant auf aussichtsreichem Platz

Die Chancen für einen Ausländer, nach dem kommunalen Wahlrecht für EU-Bürger in eine Bezirksverordnetenversammlung gewählt zu werden, sind gering. Denn auf den Parteilisten sind die „europäischen“ Kandidaten meist schlecht plaziert.

Dimitrios Latsos (58) aus Griechenland ist mit einem weiteren Landsmann der einzige „Unions“- Bürger auf einer CDU-Liste: Im Bezirk Tiergarten, Platz 25. „Noch in Griechenland war ich für die ,Nea Demokratia‘ aktiv. Das ist die Cousine der CDU.“ Seit den Urgroßeltern sei seine Familie traditionell politisch in der rechten Mitte, doch Latsos sieht auch die Schwächen der CDU. Gerade, was die Rechte der Ausländer angeht, seien SPD und die Grünen glaubwürdiger. Trotzdem ist er in der CDU engagiert, weil sie die Probleme des Einwanderungsdrucks auf Europa und den Sozialmißbrauch ernster nehme. Latsos hofft auf eine Fortsetzung der großen Koalition.

Von den fünfzehn Kandidaten der Grünen stammen allein sechs aus der Türkei. Dr. Victor Dzidzonou stammt aus Togo und hat mit Listenplatz 6 gute Aussichten, in die Bezirksverordnetenversammlung in Tiergarten gewählt zu werden. Auf den grün-alternativen Listen befindet sich noch ein Inder und eine Kroatin. Allen ist gemeinsam, daß sie nicht aus EU-Ländern stammen und daher einen deutschen Paß besitzen müssen.

Für die Griechin Sofia Anastasiadou und ihren griechischen Landsmann Michail Ntomproudis gilt das nicht. Auch nicht für Ritva Harju. Die 33jährige Schwedin sieht in ihrer Herkunft eine Chance: „Ich habe eine ganz andere Erziehung genossen. Die Menschen in Skandinavien sind offener und liberaler.“ Nach Querelen immerhalb der „Männerfraktion“ beschloß die Mitgliederversammlung der Grünen in Spandau, eine reine Frauenliste zur Bezirkswahl antreten zu lassen. Im Bezirksparlament will sie sich gegen den Schleusenausbau an der Spree engagieren sowie für eine „Enthospitalisierung“ der Krankenversorgung. Ihr Listenplatz 9 ist allerdings aussichtslos, denn bisher hat Spandau nur drei bündnisgrüne Bezirksverordnete.

Bei der SPD hat man eine Liste mit den ImmigrantInnen vorbereitet, die für die Sozialdemokraten beim Kampf um die Bezirksparlamente antreten. Einige der Kandidaten haben inzwischen allerdings einen deutschen Paß, wie Ali Aydin aus Kreuzberg und sein Parteifreund Ali Seyhun aus Spandau. Neben den beiden Immigranten aus der Türkei, gibt es noch den Kandidaten Jacek Gredka, der ursprünglich aus Polen kommt und in Hohenschönhausen auf Platz 6 der Liste steht. Auch der Bezirksverordnete Spiridon Kounadis aus Zehlendorf ist schon lange kein Grieche mehr. Einen nichtdeutschen Paß haben nur die Engländerin Marianne Lillie-Schirrmacher und Evert Jan Edskes aus Holland.

Edskes wird mit seinem 32. Platz nicht Bezirksverordneter werden. Aber für ihn ist es „ein Zeichen der Europäisierung der Politik“, daß man ihn hier wählen kann. „Die Wahlbeteiligung der Europäer wird nicht geringer werden als die der Deutschen.“

Diesen Optimismus teilt sein Parteifreund und Bezirksverordneter in Zehlendorf, Spiridon Kounadis, nicht. „Die Wahlbeteiligung der EU-Bürger wird katastophal schlecht. Die meisten haben die Politik abgeschrieben, weil sie jahrelang hier ohne politische Mitsprache gelebt haben.“ Zur letzten Europawahl sei nur jeder zehnte Berliner EU-Bürger gegangen.

Problematisch am neuen Wahlrecht findet Kounadis, daß es einen Keil zwischen die ausländischen Bürger treibt: die mit politischer Mitsprache und die ohne. „Und die zweite Gruppe ist bei weitem die größere“, meint Kounadis. Adrian Prechtel

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