: Wohnheimplätze im Überfluß
■ Einen Platz im Studentenwohnheim zu bekommen ist kein Problem, doch die kleinen Zimmer kosten bis zu 500 Mark
„Wir können zum 1. Oktober jedem Studenten einen Wohnheimplatz anbieten. Dies gilt nicht nur für die Erstsemester, sondern für alle, die eine Wohnberechtigung haben, also höchstens im 14. Semester sind.“ So verkündet es Hans- Jürgen Fink, Geschäftsführer des Berliner Studentenwerks. Vor einigen Jahren wäre diese Situation in Berlin unvorstellbar gewesen.
Ein Grund dafür findet sich auf dem Berliner Wohnungsmarkt. In den Ostbezirken stehen viele Wohnungen leer. Studierende sind offensichtlich noch am ehesten bereit, die kärgliche Ausstattung der Häuser jenseits der Grenze in Kauf zu nehmen. So wohnt heute von den Studierenden der vier großen Berliner Hochschulen (FU, HUB, TU, HdK) rund ein Drittel im Ost- teil der Stadt.
Einige Wohnheime, besonders in den äußeren östlichen Stadtteilen, sind heute schon nicht mehr ausgelastet. Darin zum Ausdruck kommt auch die Vorliebe der StudentInnen für eine Bleibe im Zentrum der Stadt, in der Nähe der großen Universitäten. Aber auch das Studentendorf Schlachtensee, von der FU aus relativ schnell zu erreichen, bezeichnet Hans-Jürgen Fink als „Sorgenkind“. Mit seinen 708 Wohnplätzen, meist in Fünf- bis Achtpersonenwohnungen gelegen, entspricht das Heim dem Ideal einer größeren studentischen Gemeinde, in der man die Freizeit zusammen verbringt. Doch daran scheinen die meisten Studis kein Interesse mehr zu haben. So strömen die Erstsemester zu Semesterbeginn nach Schlachtensee – und schon zum nächsten Semesterende hängen in der Uni überall Zettel, auf denen dortige WG-Plätze angeboten werden.
Entlastung für die Wartelisten brachte auch die Zuweisung von 1.000 Wohnheimplätzen in den allierten Wohnvierteln in Dahlem. Die einzelnen Zimmer gruppieren sich in diesen Häusern um ein großes Wohnzimmer mit Parkettboden und einer Durchreiche zur Küche. Amerikanisches Flair vermitteln auch die ausgedehnten Grünanlagen mit vielen Grillplätzen und die Straßennamen, mit denen US-Militärs geehrt werden. Spätestens im April 1999 müssen die Wohnungen alle geräumt sein, damit Bundesbedienstete einziehen können. Die Zahl der betroffenen BewohnerInnen dürfte bis dahin „dank“ der Staffelverträge mit ihren steigenden Mieten schon nicht mehr so groß sein.
Die unverhältnismäßig hohe Miete für ein kleines Zimmer im Studentenwohnheim ist ein weiterer Grund sein, warum Plätze frei sind. Oliver Decker, Sozialreferent beim Asta der FU berichtet: „Die Mieten in den Westberliner Heimen wurden erhöht. Teilweise kostet ein Platz jetzt schon bis zu 500 Mark.“
In Zukunft wird sich die Zahl der Wohnheimplätze kaum verändern. Neugebaut wird nur noch ein Heim am Augustenburger Platz – danach kommt erst mal nichts mehr. Dafür gibt es Abgänge. In der Keithstraße in Tiergarten ist „spätestens in drei Jahren Schluß,“ weiß Fink, „wenn unser Vertrag Ende Dezember überhaupt verlängert wird.“
Als wesentlicher Grund für den zurückgehenden Bedarf gilt auch die sinkende Zahl der Studierenden. Mit dem Hochschulstrukturplan und weiteren Sparbeschlüssen werden bekanntlich mehr als 15.000 Studienplätze in Berlin vernichtet. Matthias Fink
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